Womit wir zunächst wieder bei der Wettergarantie wären: nach einem schwül-warmen, später gewittrigen Vortag, herrscht tagsdrauf bei 15°C und feucht-kühler Luft nicht gerade Kaiserwetter, und ich bin froh, dass ich das Innenfutter wieder in die Jacke eingezippt habe.
Es tut der guten Laune aber keinen Abbruch. Meiner Konzentration auch nicht, denn die ist als Tourguide ohne Navi mal wieder gefragt. Unter'm Strich, so viel nehme ich vorweg, war ich - auch mit mir - doch sehr zufrieden. Zugegeben, die Strecken durch die Heidelandschaft sind fahrerisch sicher nicht sooo spannend (die Geraden zwischen den Kurven können unglaublich lang sein), landschaftlich aber durchaus reizvoll, sieht man von den Tretminen hippoligischen Ursprungs mitten auf der Straße, und im feuchten Zustand für Motorradfahrer nicht ganz ungefährlich, einmal ab. Eine erste kurze Pause erfolgt in Bockum im Lopau-Tal, wo ich meine Karte neu falten muss. Ja, ich weiß, ein Navi hat seine Vorteile, aber darüber diskutiere ich nicht! Ein echter Tipp, dieses kurze Streckenstück: hügelig mit ein paar kurz aufeinanderfolgenden Kurven, wie man sie kaum in der Heide vermutet. Etwas spannend wird es dann im Raum Munster & Bergen, wo riesige Truppen- übungsplätze von Bund und britischem Militär liegen.
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Karte und GoogleMaps waren sich vorab nicht einig, welche Sträßchen der Otto-Normalbürger befahren darf und welche nicht, und so werden wir dann erst vor Ort sichtbar eines besseren belehrt, als plötzlich von rechts größere Militärfahrzeuge an uns vorbeirauschen. Ok, hier also nicht. Plan B ist aber mangels zahlreicher Alternativen schnell gestrickt, und so fahren wir wenig später auf den Parkplatz der KZ-Gedenktstätte Bergen-Belsen. Von außen recht nichtssagend, mit seinem nackten Betongebäude (Dokumentations- zentrum) rechterhand und der hohen Betonmauer zum Parkplatz hin eher kalt und abweisend wirkend. Sicher, ist ja auch kein Ort der fröhlichen Erinnerungen. Auch die ersten Meter auf dem Gelände hinter der Betonmauer, von der aus man einen Blick auf weite Heidelandschaft hat, lassen mich noch nicht so recht zu einem Bild über die Gedenkstätte kommen. Bei näherer Betrachtung geben sich die Heide-Hügel als Massengräber zu erkennen, und spätestens am Gedenkstein von Anne Frank und ihrer Schwester Margot - die beiden Schwestern sind in einem der Massengräber hier begraben - ist das Gefühl der Beklemmung doch deutlich angewachsen. Zitat von der Website der Bergen-Belsen-Stiftung: Die 1945 und 1946 vorgelegten landschaftsplanerischen Entwürfe für eine Gedenkstätte umfassten nicht das komplette, etwa 55 Hektar große frühere Lagerareal, sondern nur den Bereich um die Massengräber. Die Architektur des Lagers und die noch vorhandenen Bauten sollten gegen den Wunsch der Überlebendenvertreter nicht berücksichtigt werden. In dem zur Umgestaltung vorgesehenen etwa 400 mal 800 Meter großen Gebiet wurden bauliche Überreste wie Zäune, Straßen, Wachtürme und die Reste des Krematoriums vollständig beseitigt und danach Sträucher und Bäume gepflanzt. So präsentiert sich heute auf zwei Dritteln der früheren Lagerfläche eine parkähnliche Heidelandschaft, die vom Lager nichts mehr erkennen lässt. Wir halten uns schlussendlich deutlich länger in Bergen-Belsen auf als vorgesehen, lassen uns treiben, schauen hier, sinnieren dort, fotografieren das ein oder andere und versinken ein wenig in Gedanken und Gedenken. Dem nächsten Objekt der Besichtigungsbegierde ist ebenfalls ursprünglich nur eine Stippvisite zugedacht: das historische Wasserkraftwerk in Oldau. "Nur mal gucken" - und dann wird doch eine kleine Foto-Session draus, in der wir nicht nur die zahlreichen Informationen zum kleinen Kraftwerk, sondern auch die ruhige Atmosphäre an der Aller-Schleuse und dem im Nebenarm gelegenen Wehr aufnehmen. In meinen Augen ein echter Geheimtipp!
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Das historische Wasserkraftwerk Oldau ist das einzige dieser Art in Deutschland, das in seinem ursprünglichen Zustand erhalten geblieben ist und, nachdem es in den 80er Jahren nach einer ca. 10-jährigen Pause wieder in Betrieb genommen wurde, heute noch Strom an das Netz liefert (ca. 2,5-3 Miio. KW/h im Jahr).
Um 14h30 erreichen wir das eigentliche Ziel der Tour: das Deutsche Erdölmuseum in Wietze. Dass mir da schon bewusst ist, dass die Heimfahrt lang & spät werden wird - Winser Heimatmuseum und Stechinelli-Kapelle haben wir schon aus dem Programm gestrichen -, ist zweitrangig. Ebenso unsere leichte Müdigkeit, erzeugt durch die bisherige Informationsmenge. Die nimmt mit dem Besuch des Deutschen Erdölmuseums noch einmmal erheblich zu. Mir war bis dato völlig unbekannt, wie bedeutend die Erdölförderung in der 2. Hälfte des 19. und insbesondere in der 1. Hälfte des 20. Jh. dort bzw. für Deutschland war. Wietze wurde seinerzeit als "die Erdölmetropole von Deutschland" bezeichnet. Die dort ausgestellten Zeitzeugen vermitteln nur einen kleinen Eindruck von damals, sind aber definitiv eine Besichtigung wert.
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Um 16h00 stehen wir mit leicht knurrendem Magen wieder vor dem Museum. Hunger, der nicht in absehbarer Zeit gestillt wird, führt bei mir zu immens schlechter Laune. Und die ist nicht gut für einen Tourguide.
Also werden die Augen bei den folgenden Ortsdurchfahrten offen gehalten, und siehe da, nur wenige Ortschaften weiter entdecken wir in Eickeloh ein "Hofcafé In der Alten Mehlkammer". Schaut sehr nett aus und der Kuchen schmeckt obermegalecker! Nach der kurzen Pause geht's weiter. Aufgrund der fortgeschrittenen Zeit wird Walsrode umfahren, aber ein kurzer Stopp am Ortsschild von Iris' Heimatdorf muss sein. Nach einigen Versuchen haben wir ein Selfie von Heiko und mir vor'm Ortsschild im Kasten, um Iris, die sich zurzeit auf einer dreimonatigen Europareise befindet, einen Gruß aus der Heimat zu senden. Frei nach dem Motto "Hier steht noch alles!" Von dort aus setzen wir quasi zum Endspurt an. Ich schaffe es tatsächlich, mich noch mehrmals zu verfahren - neu gebauten Ortsumgehungen und diversen Kreisverkehren und mangelnder Ausschilderung sei Dank, weil sie natürlich nicht meinem Kartenstand entsprechen. Heiko sieht's gelassen, ich irgendwann auch. Und so endet um 19h30 vor seiner Haustür eine ca. 325km-lange Geburtstagstour mit etwas müden und ausgekühlten, aber dennoch sehr zufriedenen Teilnehmern. |