Mal wieder reif für die Insel: Rügen im März 2014

Donnerstag, 06.03.2014: Allein auf weiten Fluren


"Es ist mal wieder Zeit", denke ich. Vor gut einem Monat habe ich - nach siebeneinhalbmonatiger, verletzungsbedingter Abwesenheit - mit der beruflichen Wiedereingliederung begonnen. Nie hätte ich gedacht, dass selbst vier Stunden Arbeit am Tag so anstrengend sein können.

Nach der ersten halben Woche Vollzeit (8-Stunden-Tag) nehme ich Anfang März spontan eine kleine Auszeit. Einerseits, um die Akkus ein wenig aufzuladen und dem schnellen Alltag, dessen Tempo ich nach der langen Krankenphase noch nicht ganz mithalten kann, zu entfliehen; andererseits, um an einem anderen Ort zu testen, was mein Körper schon mitmacht und was nicht.

Die Wettervorhersagen sind gut, die Bahnpreise günstig, und so sitze ich nach einem hektischen Morgen - Blumenladen, Arzttermin und Physiotherapie sind in knapper Zeitspanne unter einen Hut zu bringen - in der S-Bahn in Richtung Hauptbahnhof, von wo der InterCity nach Binz auf Rügen abfährt.

Dort habe ich ein wenig Zeit und nehme schmunzelnd die Ritter-Sport-Werbungen zur Kenntnis. Da hat ein kreativer Kopf beste Arbeit geleistet! Und: ich liebe Hamburg! Wobei der Hbf allerdings definitiv nicht zu meinen Lieblingsorten zählt ...

Wenig später verlässt der IC 2212 den Hamburger Hauptbahnhof in Richtung Osten, Kurs in Richtung Deutschlands größte Insel. Die bahntypische leichte Verspätung stört mich nicht weiter, ich habe ja keine Anschlusszüge zu erwischen. Ist der Himmel über der Hansestadt zunächst noch diesig, klart er in Richtung Osten mehr und mehr auf.

Über der Schweriner Seenplatte strahlt die Sonne vom Himmel, der Blick fällt weit ins Land. Leicht geschwungene Hügel, Wiesen und Felder mit aufsteigenden Vogelschwärmen. So langsam dominiert nach dem grau-braunen Winterkleid wieder die Farbe grün. Herrlich erfrischend!

Erfrischende Gedanken habe ich, als wir bei Stralsund den Strelasund - den Meeresarm der Ostsee, der Rügen vom Festland trennt - überqueren, und uns endgültig auf der Insel befinden. Hier in Stralsund ist die Störtebeker-Brauerei ansässig, deren leckere Gerstensaft-Variationen ich bei meinem Aufenthalt mit "meinen Mädels" im Vorjahr kennengelernt habe, und die es glücklicherweise auch in Hamburger Getränkemärkten zu finden gibt.

Ich seufze in mich hinein. Nix Bier. Mit dem Beginn der Fastenzeit habe ich mir, wie alle Jahre wieder, eine Abstinenz von süßem und salzigem Naschwerk sowie Alkohol auferlegt. Selber schuld.

Ausnahme ist mein Geburtstag, der immer in die Fastenzeit fällt. Dumm nur, dass er schon vorbei ist.

Egal, das schöne Wetter lässt nicht lange Trübsal blasen zu. In Binz geht es zwangsweise gemütlichen Schrittes vom Bahnhof zur Jugendherberge, die ca. 15 Minuten entfernt direkt an der Strandpromenade liegt. Traumlage. Sie war uns in letztem Jahr schon aufgefallen und ich hatte seinerzeit beschlossen, sie einmal zu testen. Der Empfang ist freundlich und der Hinweis, dass nicht viel los sei, sollte sich später noch bestätigen.

Nachdem ich meine Sachen aufs Zimmer gebracht habe, bin ich bald wieder mit dem Fotoapparat draußen in Richtung Strand unterwegs. Die Befürchtung, ob ich mit meinem noch nicht ausgeheilten Bein bzw. eingeschränkt beweglichem Fußgelenk überhaupt im Sand laufen kann, bewahrheitet sich glücklicherweise nicht.

Zwar nicht schnell, aber schmerzfrei und relativ problemlos bummele ich in Richtung Seebrücke, immer wieder das ein oder andere Motiv vor die Linse nehmend.

     

Alle Hektik ist von mir abgefallen, ich atme tief ein und ... registriere, dass die Luft hier nicht so salzig "schmeckt" wie an der Nordsee. Ich schlendere die 370m lange Seebrücke einmal rauf und runter, dann meldet sich - deutlich vernehmbar - mein Magen, so dass ich den Schritt weg vom Strand in Richtung Ortszentrum lenke und mich von den Aushängen vor diversen Lokalen inspirieren lasse.

Im Braugasthaus Fritz bleibe ich schließlich hängen, einer urig-rustikal-gemütlich eingerichteten Brasserie, die draußen mit frischem Hering und Matjes wirbt. Oh lecker, Matjes mit Bratkartoffeln, und dazu ein schönes, frischgezapftes Zwickel-Bier. Vorsätze? Fastenzeit? Kann doch auch noch in drei Tagen beginnen, oder?

Ich genieße feste wie flüssige Nahrung und lausche amüsiert den Gesprächen links und rechts an den Tischen. Gesättigt und zufrieden beschließe ich später, nicht den direkten Weg zur Unterkunft, sondern noch einmal in Richtung Seebrücke und Kurhaus zu gehen, um noch ein wenig mit der Kamera, meiner noch recht unbefleckten Errungenschaft, zu spielen, bevor ich über die Strandpromenade endgültig in Richtung JH schlendere.

Die Luft ist herrlich klar, man hört die Wellen der Ostsee an den Strand klatschen, die Sterne leuchten vom wolkenlosen Himmel. Das Wetter verspricht schön zu bleiben. Prima, so habe ich das gebucht!

In der JH scheine ich offensichtlich der einzige Gast zu sein. Von außen ist kein Licht in irgendeinem Zimmer zu sehen, innen sind keine Geräusche zu hören. Sei´s drum, Hauptsache die Heizung auf dem Zimmer funktioniert, denn des nächtens sinken die Temperaturen verdächtig nah bis an die Frostgrenze.

Ich widme mich noch ein wenig dem Reiseführer, kann mich aber noch nicht so recht für ein Programm am nächsten Tag entscheiden. Ist auch nicht wichtig, ich lasse mich treiben.

Der Weg ist das Ziel.