Samstag, 19.05.2012: Mendig (Eifel) - Saint-Ursanne (schweiz. Jura), ca. 530km

Am Samstag, 19.05., nach dem Reiseforum-Treffen in der Eifel, ging es los. Nach dem zeitigen gemeinsamen Frühstück mit den Forumsmitgliedern ryna, André und seinem Vater im Hotel in Mendig, sattelten wir die Hühner, respektive Motorräder und zogen gen Süden, zunächst einmal in Richtung Mosel. Dann sollte es durch Hunsrück und Pfalz via Johanniskreuz in Richtung französische Grenze gehen. Als Etappenziel am Abend wurde das Schweizer Jura anvisiert.

Doch zunächst galt es, örtliche Sperrungen in der Eifel gewusst wie zu umfahren - das gelang so geschickt, dass wir uns plötzlich vor der Burg Pyrmont wiederfanden, ein willkommenes Fotomotiv. O-Ton Michael: "Andere Leute fahren dafür an den Tarn". Also Blinker rechts gesetzt, Michael kramte seine Kamera aus dem Tankrucksack und schoss ein paar Fotos. Ähnliches Spiel von Rainer hinter mir, nur dass er seine deutlich kleinere Kamera in Ermangelung eines Tankrucksacks flink aus der Brusttasche zog.

Ich war noch nicht in Knipslaune, sah dem Treiben bzw. Fotografieren ganz entspannt zu ... bis Michael seinen Tankrucksack wieder schloss, den Blinker links setzte und flugs losfuhr. "Huch! Wie? Wo? Was? Geht schon weiter???" Ich war gedanklich noch nicht ganz in Fahrt und leicht irritiert. Sollten die beiden unterwegs etwa immer so fotografieren? Na, das könnte ja noch heiter werden, wo ich mir doch gerne Zeit für ein Motiv nehme!

Also flugs hinterher. Runter zur Mosel, durch Cochem durch und bei Bruttig-Fankel den Berg wieder hinauf. Schon wieder ein "Huch", als bei zügiger Bergfahrt mit entsprechender Schräglage meine rechte Stiefelspitze in einer engen Kurve den Asphalt berührte. Kommt davon, wenn frau vor lauter Jagdfieber ihre sonst so vernünftige Fußhaltung vergisst! Dafür saß ein erstes Grinsen breit im Gesicht.

In Kirchberg im Hunsrück folgte ein Tankstopp, der zugleich den Beginn eines Spiels zwischen Rainer und mir bedeutete, welches sich durch den gesamten Urlaub hindurch ziehen sollte: "Wie viel Liter hast Du getankt?" Der Verbrauch der Bandit und der Hornet lagen in etwa gleich und so war es wie ein kleiner Wettbewerb - oder Kleinkinderwettbewerb - "Ätsch, ich hab aber weniger (tanken müssen)." Meistens war dies bei Rainer der Fall ...

Den Tankstopp nutzte ich auch, um mich in meine Regenklamotten zu plünnen und Tankrucksack und Hecktasche regensicher einzupacken. Über dem Hunsrück hingen verdächtig tief graue und sehr nass aussehende Wolken. Mit meiner Lederhose bzw. der darüber gezogenen Regenhose wollte ich auf Nummer sicher gehen. Und außerdem ... vielleicht hatte es ja die Wirkung eines Regenschirms!? Wie oft schleppt man den mit sich herum und es regnet doch nicht!?

Die Drohung schien zu wirken, am Johanniskreuz in der Pfalz, wo wir eine Kaffeepause (und ich eine Suppenpause) einlegten, schien die Sonne warm vom Himmel und begleitete uns freundlicherweise auch für den Rest des Tages.

Ich verbannte also die Regenklamotten wieder jwd. Hier hatte ich übrigens meine nächste "Aha"-Erkenntnis: (diese) Männer aßen nix zu Mittag, denen reichte ein Milchkaffee. Nicht so mir. Wovon sollte ich auch zehren!?

Der weitere Weg verlief durch die Pfalz, über mal größere, oft aber kleinere Straßen in Richtung France, wo wir kurz vor Lauterbourg die Grenze überquerten und bald darauf die Autobahn nahmen, um die Fahrt gen Süden ein wenig zu beschleunigen. Die geplante Tour sollte komplett ca. 3.200km lang sein - da galt es, bei einer Woche Gesamtfahrtzeit, nicht allzu sehr zu trödeln.

Bei Mulhouse verließen wir die A 35 wieder und fuhren zunächst ein Stück parallel zu den Vogesen, wo sich über den Gipfeln noch bedrohlich ausschauende Gewitterwolken bewegten. Äh, nö, darauf hatte ich keine Lust und war froh, dass Michaels Route erst deutlich südlicher ins hügelige Gebiet führte.

     

Wobei, an der Raststätte Haut-Koenigsbourg, wo wir einen Kaffeestopp einlegten, war von schlechtem Wetter nix zu sehen. Hier war es dermaßen warm, dass das weibliche Geschlecht in roten, durchaus aufreizend kurzen Kleidern mit Spaghetti-Trägern durch die Gegend stakste. Ich in meinen Motorradklamotten dagegen befand mich mehr im Schweiße meines Angesichts, während ich die zahlreichen Störche beobachtete, die elegant durch die Luft kreisten.

Über St. Bernard (nein, nicht der Pass) und Villars-le-Sec ging´s in Richtung Jura, wo mit dem schweizerischen Col de la Croix (oh, welch seltener Name für einen Pass) wohl unser erster Pass dieser Tour bezwungen wurde. Stattliche 789 hoch.

Hier sollte im Sommer 2012 auch eine Etappe der Tour de France längs führen - na, die Radfahrer würden bei den steilen, schmalen Straßen ihre Freude haben, noch mehr bergab als bergauf.

Ich hatte mich sehr darüber gefreut, dass mein Wunsch, das Jura nicht nur im Transit zu nehmen, bei der Routenplanung berücksichtigt wurde. So viele schöne Fotos aus dieser Region hatte ich schon gesehen, da wollte ich schon ein bisschen mehr erleben. Allerdings nicht mehr unbedingt per Motorrad an diesem Abend. Nach ca. 530 Tageskilometern war dann mal gut mit Fahren.

Im schweizerischen Saint-Ursanne am Doubs war Hotelsuche angesagt. Ich tappte dann auch mal auf das erste Hotel zu ... und besiegelte dank meiner französischen Sprachkenntnisse mein Schicksal bzw. die Rollen-verteilung, die mir für die restlichen Tage bei der Zimmersuche zukommen sollte.

Nur, wenn ein Hotel ausgebucht ist bzw. als einziges Zimmer ein Dreibettzimmer frei ist (und ich hatte mich bei der Nachfrage sehr verständlich ausgedrückt, dass wir drei Einzelzimmer bräuchten!), nützen auch die besten Sprachkenntnisse nix.

Also nächstes Hotel angesteuert - netterweise im malerischen (und) kleinen Zentrum von Saint-Ursanne alles per pedes machbar. Im "Hotel de Cygogne", direkt gegenüber der alten Kirche mit angrenzendem ehemaligen Kloster war die gewünschte Zimmeranzahl dann verfügbar, inklusive einem ersten Eindruck vom schweizerischen Preis-Leistungsverhältnis.

Das Zimmer - zumindest meins - mansardenähnlich unter dem Dach gelegen, eine kleine Baumarkt-Einfach-Duschkabine in der Ecke (jaja, im Zimmer, nix etra Wand), ein Mini-Waschbecken daneben, Toilette auf dem Flur. Alles kein Drama, ich bin nicht sonderlich anspruchsvoll, so lange das Zimmer sauber und die Matratze fest ist. Aber für 60 EUR!? Hoffentlich wurde das nicht die Messlatte für die ganze Woche ...

Ein wenig Verschnaufzeit und Rückzugsmöglichkeit für jeden ... bevor wir uns später zum Abendessen trafen. Ich nutzte die Zeit, um einen ersten Blick in den Kreuzgang zu werfen, der durch ein offenes Holzportal neben dem Kirchenschiff zugänglich war.

Ich liebe solche Orte der Ruhe, sofern dort kein Touri-Halligalli herrscht. Ein Moment zum Abschalten, ein Moment der Besinnung, ein Moment des sich Sammelns. Für mich oft mit einer ganz besonderen, intensiven Wahrnehmung und seltsam dichten, fast greifbaren Atmosphäre verbunden.

Beim Abendessen auf der Terrasse zu Füßen der Kirche folgten dann weitere "Aha"-Erlebnisse. "Viande grillée sur l´ardoise" kündigte die Tafel an. Aha, Grillfleisch, Grillabend. Lecker. Aber was, bitteschön, war nochmal "ardoise"? Ich kramte intensiv, aber ergebnislos in meinem Gedächtnis. Die Nachfrage bei der Kellnerin ergab, dass a) sie nicht sonderlich gut im Erklären war, ergo b) wir immer noch nicht wesentlich schlauer waren. Wir verstanden nur so viel, dass wir das Fleisch zum Selberzubereiten auf einem heißen Stein serviert bekämen.

So weit, so gut, bestellt. Als dann Fleisch und Platte angereicht wurden, folgte mein "Ahaaa". "Ardoise" = Schiefer. In diesem Falle eine Schieferplatte, im Gasgrill ordentlich vorgeheizt, um dann das Fleisch darauf zu brutzeln.

     

Die Hauptspeise war vertilgt - wem es nicht schmeckte, der hatte es selbst vermasselt - der Nachtisch wurde in Angriff genommen. Auf der Eiskarte stand "Sorbet". Zwei verschiedene Sorten: Zitrone und Heidelbeere. Ich hatte durchaus Lust auf beide Geschmacksrichtungen und fragte die Bedienung, ob ich beide Sorten haben könnte. Davon ausgehend, dass es sich um Eis- bzw. Sorbetkugeln handeln würde.

Weshalb ich dann von ihr mit großen Augen angeschaut und gefragt wurde "Zweimal Sorbet? Sind Sie sich sicher?", verstand ich erst einmal nicht. Dachte "Hm, vielleicht sind die Portionen so groß?" und bestellte dann vorsichtshalber doch nur Zitrone. Ebenso Michael.

Als das Sorbet gebracht wurde war es an uns, große Augen zu machen, denn die Sorbetkugel schwamm in einer großen Menge klarer Flüssigkeit, die sich beim Geruchs- und Geschmackstest eindeutig als hochprozentigen Alkohol entpuppte!

Ich vergewisserte mich noch einmal in der Eiskarte - nein, da stand nur "Sorbet", kein Hinweis auf Alkohol oder sonstige Zusätze. Nun denn, wir verbuchten es unter "interkulturelles Lernen" und schlürften den Nachtisch leicht grinsend in uns hinein.

Zum Abschluss des Tages drehten wir eine kleine Verdauungs- und Fotorunde durch Saint-Ursanne. Diese historische Kleinstadt strahlte auch im Dunkeln mit ihren alten Gebäuden und leicht schiefen Dächern viel Charme aus.

Zurück im Hotel gab es dann eine weitere Kostprobe vom schweizerischen Preis-Leistungsverhältnis, als wir uns nach dem ersten schönen Tag einen Absacker genehmigten. Der Blick auf die Rechnung ließ uns, ebenso wie das hochprozentige Zeugs, kurz die Augen aufreißen. Der Kurs CHF zu EUR war auch schon mal vorteilhafter gewesen!? Nun, so what ... wir waren im Urlaub.

Auf die nächsten Tage. Prost! Ob es nun an der langen Tagesetappe oder aber an dem Hochprozentigen lag, das mir anschließend einen seligen Schlaf bescherte, vermag ich nicht mehr zu sagen.