Mittwoch, 23.05.2012: Serrières (am Rhône, Dept. Ardèche) - Massiac (Cantal, Auvergne), ca. 310km

Der obligatorische Blick aus dem Hotelzimmer fiel an diesem Morgen auf die Rhône und auf einen bedeckten Himmel. Sah dennoch aus, als ob es trocken bleiben würde. Frühstücken und aufsatteln, und los ging´s. Wir wollten heute ein wenig durch die Auvergne kurven, um abends nicht mehr allzu weit vom Puy Mary, dem größten Vulkan Europas, anzukommen. Die breite D820 führte bergauf aus Serrières heraus. Mein Blick schweifte links über das breite Rhône-Tal und so bekam ich im Rückspiegel nicht mit, dass mein Hintermann fehlte. Erst als Michael den Blinker rechts setzte, bemerkte ich meine Rücksichtslosigkeit. Ups, diese Ignoranz nach hinten raus ist eigentlich so gar nicht meine Art.

Es war mal wieder Rainers Bandit. Sie hatte in den letzten Tagen immer wieder ihre Mucken gezeigt, vermutlich lag irgendwo ein Kabelbruch oder Wackelkontakt vor, so dass die Maschine oft genug nicht anspringen wollte, was Rainer so manche spöttische Bemerkung einbrachte.

Er kam dann doch ohne fremde Hilfe angefahren und so ging´s weiter in Richtung ... ja, wohin eigentlich? Viele kleine Straßen, auf denen wir im Wald eine junge Frau am Straßenrand stehen sahen, mit dem Handy in der Hand, während ihr Auto in der Böschung mit der rechten Seite an den Bäumen klebte. Ihr war gottseidank nix passiert, es befand sich auch keine weitere Person im Auto. Sie wartete in der Einsamkeit auf den bereits informierten Abschleppdienst und freute sich sehr darüber, dass wir angehalten hatten.

Viel mehr konnten wir dann aber auch nicht für sie tun und fuhren schließlich weiter. Dennoch, das Bild haftete den ganzen Tag in meinem Gedächtnis und erzeugte ein etwas gedämpftes Gefühl beim Fahren.

Ich muss gestehen, streckentechnisch verhielt es sich mit der Erinnerung wie mit dem Wetter: dieser Tag blieb für mich ein wenig im Nebel. Nach einer kleinen Irrfahrt mit zum Teil abenteuerlichen Autobahn-Ausfahrten (was das Einfädeln zum Abbiegen anging, nicht die Spur an sich!) um St. Etienne herum - wirklich keine hübsche Stadt! - durchquerten wir den Parc Naturel Régional du Pilat und legten einen ersten Fotostopp am Lac de Grangent ein. Die Landschaft hier erinnerte mich mehr an Schottland als an sonst was: ein von bewaldeten Hügeln umrandeter See, auf einem kleinen Felsen im See das Château de Grangent, ein weiteres Schloss bzw. eine Schlossruine (Château d´Essalois) auf einem der umliegenden Hügel, dazu eine diesige Stimmung. Fehlte nur noch "Nessi".

Der nächste Fotostopp lag an einer zügig befahrenen Nationalstraße zwischen Chambles und Caloire, wo man einen schönen Blick auf die Mäander der Loire in den Gorges de la Loire hatte. Naja, "schön", wenn das Wetter besser und die Loire nach den ganzen Regenmassen nicht so dreckig braun gewesen wäre. Mir persönlich behagte der Standort an der zügig befahrenen, schlecht einsehbaren Straße nicht unbedingt, aber was tut frau nicht alles für ein Foto!?

     

Die Sicht lag teils unter 50m und immer wieder tauchten - vorzugsweise weiße oder silberne - Autos ohne Licht aus dem Nichts auf. Was, bitte schön, lernen Franzosen in der Fahrschule? In Saint-Bonnet-le-Château legten wir eine Kaffeepause ein. Bei der Auffahrt zum Ort hatte ich - ohne den Ortsnamen zu erkennen - schemenhaft ein Gebäude gesehen, dass ich entweder als Kirche oder als Schloss interpretierte. Nun, wo ich den Ortsnamen kannte, konnte es nur ein Schloss sein. Trotz der trüben Aussichten war die Laune nicht ganz so trüb.

Ein gutes Stück heller war es dann doch auf dem Col des Supeyres (1.366m), wo sogar ein wenig Sonne zu sehen war, wenn nicht gerade Nebelfetzen den blauen Himmel bedeckten. Ein leicht mystischer Anblick, eine sonderbare Stimmung, die aber nach dem vielen Nebel am Vormittag richtig freundlich wirkte. Deutlich weniger freundlich war dann auf der Abfahrt vom Col des Supeyres der LKW-Fahrer, der mit seiner gemächlichen Fahrt und Breite seines Fahrzeugs kein Überholmanöver auf der schmalen Straße im Wald zuließ. Und auch keinerlei Anstalten machte, uns überhaupt vorbeilassen zu wollen.

Michael erkämpfte sich haarscharf seine Überholspur - da passte nicht mehr viel zwischen Koffer und LKW! -, während ich lieber die nächstmögliche Gelegenheit mit ausreichend Platz abwartete. Erst als nach einer schmalen Brücke eine Linkskurve kam, die er nicht so schnell nehmen konnte, konnten Rainer und ich links über unbefestigtes Terrain an ihm vorbeiziehen.

In Ambert, Heimat des Blauschimmelkäses "La Fourme d'Ambert" und witzigerweise Partnerstadt von Gorgonzola, legten wir eine weitere Kaffeepause ein. Das Wetter hielt, es blieb freundlich, auch als wir weiter in Richtung Cantal fuhren. Unser Hotel für diese Nacht sollte nicht allzu weit vom Puy Mary und Col du Pas de Peyrol, dem höchsten Pass der Auvergne liegen, den wir am nächsten Tag in Angriff nehmen wollten.

Bis dahin folgte allerdings noch eine kleine Irrfahrt mit leichten Kommunikationsschwierigkeiten - frau wollte Tipps zur Hotelsuche geben, manN fuhr einfach ignorierend weiter. Jedesmal, wenn ich gerade einen Satz begonnen hatte, fuhr Michael weiter. Und das ging mehrmals so, so dass ich irgendwann ein lautes "Sack Zement" hinter ihm herrief. Nachdem wir den wohl teuersten Sprit des ganzen Urlaubs getankt hatten - 1,78 Euro / Liter Super 95 (!), und über winzige Straßen schließlich in Blesle landeten, mussten wir feststellen, dass das einzige Hotel in diesem hübschen Ort mit mittelalterlichem Zentrum wegen Besitzerwechsel geschlossen hatte. Wiedereröffnung noch vor dem Sommer - aber in welchem Jahr?

Der Aushang an der geschlossenen Touristeninformation gab auch keine hilfreichen Hinweise, was meine grummelige Laune nicht wirklich verbesserte, und so bewegten wir uns nach einem Blick auf die Karte wieder gen nächstgrößerem Ort, Massiac.

     

Wenigstens hatten die Männer die Zeit zum Fotografieren des hübschen Zentrums von Blesle genutzt und mich in Ruhe gelassen. In Massiac wurden wir fündig. Ein Lacher sorgte allerdings schon vorher für Entspannung: wir befanden uns auf einer langen Gerade neben einer Bahnstrecke, die auf Massiac zuführte. Ca. 300m vor dem Ortseingang und einem gerade geschlossenen Bahnübergang hielt Michael am Straßenrand.

Ich hielt rechts auf dem Seitenstreifen neben ihm und schaute ihn fragend an. Weshalb hielt er hier mitten in der Ödnis, wenn er doch 300m weiter vorne die geschlossene Bahnschranke zum Reden nutzen konnte!? Er zeigte wortlos an mir vorbei, mein Blick folgte ... und ich fing an zu lachen: da stand in der Pampa ein Hotel! Und ich hatte es überhaupt nicht gesehen. Ich wusste auch weshalb: Marke Etap, aber deutlich heruntergekommen und ohne Restaurant. Ich hatte es GAR NICHT sehen WOLLEN!

Mein Blick richtete sich stattdessen auf die Werbetafel für das "Grand Hôtel de la Poste" im Zentrum von Massiac. Das Hotel war zwar an der Hauptstraße nicht unbedingt malerisch gelegen, stand aber unter einer sehr freundlichen Führung (familiengeführt), hatte einen abgesperrten Parkplatz hinter dem Haus und eine sehr leckere, regional geprägte Küche, wie wir am Abend im hauseigenen Restaurant feststellen konnten.

Herrlich, wenn so ein KäseWAGEN angerollt wird! Noch herrlicher, wenn man/frau noch über ausreichend Platz im Magen verfügt. Wir ließen es uns vom Apéritif bis hin zum Digestif gut gehen und den Tag Revue passieren.

Was für ein Tag. So viel und vor allem so dichten Nebel hatte ich noch nie erlebt. Ich hätte nach dem Vormittag nicht geglaubt, dass wir überhaupt noch ein wenig Sonne sehen sollten. Welches Wetter würde uns am kommenden Tag erwarten? Ein wahres Lotteriespiel ...