Donnerstag, 24.05.2012: Massiac (Cantal, Auvergne) - Glaine-Montaigut (Puy-de-Dôme, Auvergne), ca. 295Km

Der Blick aus dem Hotelzimmer verbreitete wettertechnisch Optimismus, der Morgennebel zog sichtbar schnell die Berge hinauf, es konnte durchaus ein schöner Tag werden. Dagegen blieben Zweifel, ob wir wie geplant den Puy Mary in Angriff nehmen konnten, denn laut Auskunft der Hotelinhaber ist dieser alljährlich von Allerheiligen bis Pfingsten gesperrt. Na, vielleicht hatte man, vier Tage vor Pfingsten, schon ein Einsehen mit den Touristen - wir wollten es wissen und machten uns auf den Weg, der uns durch das Tal des Alagnon, an Murat vorbei bis zur Skistation Super Lioran führte.

Mit den ersten Kurven nahmen wir den Col de Cère (1.294m) mit und bogen wenig später ab, um zunächst den Col de Pertus zu erklimmen. Michael hatte die Kameras montiert und frau durfte wieder als Filmobjekt agieren. So langsam gewöhnte ich mich daran (was aber nicht bedeutete, dass ich mir keinen Kopp mehr ums Aussehen machte ;-)).

Ein kurzer Fotostopp folgte auf dem Col de Pertus (1.309m), von wo aus wir einen schönen Blick auf die Kette rund um den Puy Mary hatten.

Überwiegend blauer Himmel, hier und da ein paar Wolkenfetzen. Die verdichteten sich allerdings extrem rund um den Puy Mary, wie wir nach einer wunderschönen Auffahrt - geniale Kurvenstrecke mit herrlichen Aussichten - auf dem Col du Pas de Peyrol (1.589m) feststellten. Aussicht? Fehlanzeige.

Dichte Nebelschwaden und scharfer Wind waren die Antwort. Wir flohen in die Wärme der Hütte und genehmigten uns einen Kaffee. Hier war es muckelig warm, die Ausstattung rustikal bis urig, die Deko größtenteils zu kaufen. Glück oder Pech, dass die Transportmöglichkeiten begrenzt waren.

Die Laune von Michael besserte sich zunehmend, nachdem das Wetter doch nicht so schlecht war wie von ihm befürchtet. Fotostopps folgten am Eisenbahn-Viadukt bei Saint-Saturnin und in den Gorges de la Rhue. Hier und auf den darauffolgenden kleinen Straßen waren wir fast die einzigen Verkehrsteilnehmer. Typisch für die touristisch alles andere als überlaufene Auvergne.

Mit dem Mittagessen in Lanobre genoss ich einen der schönsten, weil authentischsten Momente des Urlaubs: Frankreich pur! Wir entdeckten ein kleines Lokal, mit Hecken von der Straße abgetrennt, vor dem einige Franzosen, überwiegend Bauarbeiter, ein Mittagessen einnahmen. Wir gesellten uns dazu, wurden von Mamie liebevoll bewirtet. Ich kam endlich mal zu einem Sandwich Jambon-Fromage, dessen Menge zum Teilen mit Rainer ausreichte, Michael genehmigte sich einen grünen Salat mit der klassischen Senf-Vinaigrette. Die Atmosphäre ... so typisch französisch. Herrlich! Wir entspannten vollends, ließen Zeit Zeit sein. Wir nahmen sie uns dann auch für die Besichtigung der Dorfkirche nebenan, bevor wir den Weg in Richtung Puy de Dôme wieder aufnahmen.

     

Unterwegs konnten wir Blicke auf die Monts Dore, östlich von unserer Route liegend, werfen. Mich beeindruckte dieses Bergmassiv, dessen höchste Erhebung Puy de Sancy, mit 1.885m zugleich die höchste Erhebung des Zentralmassivs, ich aber nicht explizit ausfindig machen konnte. Nach und nach konzentrierte sich der suchende Blick auf den Puy de Dôme, die höchste Erhebung der Chaîne des Puys, und seinen charakteristischen Lavadom. Der musste doch irgendwann mal zu sehen sein!? War er irgendwann. Oder aber nicht wirklich.

Bereits am Morgen hatten wir angesichts des Wetters Sorge, ob sich eine Auffahrt überhaupt lohnen würde. In den Bergen hing noch der Nebel. Da es aber zunehmend freundlicher wurde und wir in der Nähe des Puy de Dôme bestes Wetter hatten - ok, ein paar Wolken gab es noch am Himmel - waren wir guter Dinge ... bis wir dann eine einzige große Nebelwolke sahen, die ausgerechnet die Spitze des markanten Vulkans fett umhüllte.

Mannmannmann, mit ein Ziel der Reise und dann das! Das konnte doch nicht wahr sein!?

Wir wollten dennoch die Auffahrt machen ... wenn wir denn gekonnt hätten! Tatsächlich war sie gesperrt. Wir vermuteten Bauarbeiten, letzte Vorbereitungen zu Saisonbeginn.

Erst zu Hause las ich bei Wikipedia nach, dass seit Ende 2010 eine Touristenbahn hochfährt. Und da deren Trasse auf die bereits vorhandene Straße gelegt wurde, war fortan kein Hochkommen für Kraftfahrzeuge - auch für Radfahrer nicht - mehr möglich. So was Doofes aber auch.

Es folgte im Nachmittag das übliche Spiel: Hotelsuche. Ich hatte ein Dèjà-Vu-Erlebnis, als Michael meinte "wir sollten mal mit der Hotelsuche beginnen", und dann plötzlich von der Hauptstraße auf kleine Straßen und kleine Ortschaften auswich. Ähm, glaubte er wirklich, wir würden hier was finden? Aber manN war ja lernfähig, und so hielt er einige Kilometer später wieder an, um frau um ihre Meinung zu fragen. Geht doch.

Die war, den nächsten größeren Ort anzusteuern. Laut Karte war das Billom. Dort gab es tatsächlich ein Hotel, wie wir im Vorbeifahren bemerkten. Das war allerdings schon seit ein paar Jahren geschlossen. Da entdeckte ich plötzlich eine Touristeninformation. Na, wenn jemand wissen sollte, wo hier das nächste Hotel war, dann doch die!

Ich stapfte also rein und fragte, ob sich hier im Ort ein Hotel befand. Der freundliche junge Mitarbeiter schaute mich bedauernd an und meinte, nein, hier nicht, sondern in ... oder ... (er nannte zwei Ortsnamen). Das sei aber ein paar Kilometer entfernt.

     

Die "paar" Kilometer entpuppten sich letztendlich als ganze sechs Kilometer, und jeder gefahrene Meter war es wert - selbst wenn es noch 20 km oder mehr gewesen wären - denn bei der Verabschiedung flüsterte mir der Touri-Office-Mitarbeiter noch zu "Die Küche ist sehr gut." Oh ja, er sollte Recht behalten!

Die "Auberge de la Forge" in Glaine-Montaigut: ganze vier Zimmer an der Zahl (von denen glücklicherweise drei für uns frei waren) und eine unbeschreiblich leckere, kreative Küche. Der Hausherr kocht selbst, und das mit Lust am Ausprobieren und Freude an der Bewirtung seiner Gäste. Die in Chorizo eingewickelten gegrillten Scampis am Spieß mit Knoblauch-Vanille-Eis (ja, es muss nicht immer Knoblauch-Sauce sein), waren eine Wucht, für Auge und für Gaumen, und das ganze restliche Essen auch. Spätestens hier war Michaels Laune wieder auf dem Höchstpunkt.

Glaine-Montaigut liegt in der so genannten Toskana-Auvergne und in der Tat hatte ich mir bei der Durchfahrt der Region gesagt "So stelle ich mir die Toskana vor", die ich bislang nie in echt gesehen hatte.

Vor dem Essen hatten wir noch ein bisschen Zeit zur Besichtigung. Der Ort selbst ist liebevoll restauriert mit einer Kirche aus dem 11. und 12. Jh. Alles gepflegt und in sich sehr stimmig.

Auf den Stufen vor der Kirche in der Abendsonne sitzend, ließ ich mir von Michael auf der Karte zeigen, wo wir eigentlich heute längs gefahren waren. Wenn man selbst keine Route plant, verlieren sich irgendwann die ganzen Ortsnamen, die man sich doch merken wollte ... Keine Ahnung, wie ich im Anschluss einen Reisebericht erstellen sollte!

Wir waren uns an diesem Abend einig: in Sachen Unterkunft und Restaurant hatten wir heute das absolute Highlight dieser Reise gefunden.