Freitag, 25.05.2012: Glaine-Montaigut (Puy-de-Dôme, Auvergne) - Montbenoît (Doubs), ca. 400km

Bäh, so langsam aber sicher ging es zurück in Richtung Heimat, auch wenn die mir gefühlt noch ewig weit weg vorkam. Und seltsam, als wollte sich meine Erinnerung dagegen sträuben, blieben von dieser Tagesetappe verhätnismäß wenige Punkte im Gedächtnis haften.

Wir verließen die Auberge de la Forge in Glaine-Montaigut nach einem nicht unbedingt vielfältigen, aber leckeren - weil mit selbstgemachten Marmeladen - Frühstück und durchquerten zunächst die besagte Toskana-Auvergne in Richtung Nordost. Wir mussten abends mindestens im Jura ankommen, um am nächsten und letzten Tag eine halbwegs übersichtliche Streckenlänge vor uns zu haben.

Als erstes schraubten wir uns nach und durch Thiers hoch, die Stadt der Messerschmieden, und stoppten wenig später an einer Apotheke - Michael hatte von Forumsmitglied André den Auftrag bekommen, 10 dieser neuen Alkoholtester, die man ab dem 01.07.2012 in Frankreich mit sich führen muss, mitzubringen. Als Muster. Soso.

In der Apotheke suchte ich erst einmal nach dem französischen Wort für dieses Teil und versuchte es mit Umschreibungen. "Ah, un alco-test" meinte die Angestellte. Na klar, so simpel kann Französisch sein! Da die Teile aber noch nicht Pflicht waren, hatte man in der Apotheke auch keine vorrätig. Dafür kramte ein freundlicher Franzose sein persönliches Exemplar aus dem Auto und schenkte es uns.

Die kurvige D2089 verließen wir wenig später bei Chabreloche, um über den knapp 1.000m hohen Col St. Thomas und durch Saint-Just-en-Chevalet und über eine nette, kurvenreiche Strecke in Richtung Roanne und somit ins Burgund zu fahren. Die Durchfahrt von Roanne selbst war weniger spannend - warm, viele Ampeln und Verkehr ... bloß weg hier!

Es war eine sanfte Landschaft, die wir auf kleinen Straßen durchquerten. Ich gestehe, ich hatte zwischenzeitlich die Orientierung verloren und selbst als ich bei einer Trinkpause am Straßenrand den Blick auf die Karte warf, half mir das nicht wesentlich weiter, denn die Straßen, die wir befuhren, waren von kleiner Größenordnung. Immer schön hinter Michael herfahren, er würde schon wissen wohin, grobe Richtung Nordost.

Zunächst aber durfte er noch ein letztes Mal erfolgreich seinen Dienst als Rainers Anschieber leisten. Nur ... Rainer grinste etwas (zu) verdächtig und Michael fragte misstrauisch "Das war jetzt ein Fake, oder?" Rainers Grinsen wurde breiter.

Immerhin: endlich hatte ich einmal bei dieser Aktion den Fotoapparat zur Hand! Michaels Drohung, die Bandit zukünftig nicht mehr anzuschieben, wirkte dann auch für den restlichen Urlaub.

     

Die Fahrt führte durch Cluny, nun schon im Burgund gelegen. Ich war am Grübeln, denn ich verband diesen Ortsnamen mit Mönchen und Kloster. Schließlich fiel es mir ein: meine Eltern hatten zu Hause eine CD mit Choralgesängen, aufgenommen von den Mönchen in dieser Abtei. Ok, nicht unbedingt eine touristische SEHENswürdigkeit. Später las ich, dass von diesem 910 gegründeten Benediktinerkloster eine geistliche Reform-bewegung der katholischen Kirche ausgegangen war (die sog. Cluniazensische Reform), die durch den moralischen Niedergang der Kirche ausgelöst wurde.

Ein mehr tierisches denn geistliches Vergnügen - naja, nicht wirklich - gab es im weiteren Streckenverlauf, als uns hinter einer Rechtskurve plötzlich ein Jungbulle, frei auf der Straße stehend, blöd anglotzte. Der musste von der Weide ausgebüchst sein, was dem mächtigen Oberbullen auf der anderen Seite des Zauns offensichtlich gar nicht gefiel. Mir auch nicht, denn weder der unberechenbare Jungbulle, der jederzeit auf uns losstürmen konnte (so meine Befürchtung), noch der drohend drein-blickende Altbulle direkt am Weidenzaun wirkten vertrauenerweckend.

Und Michael ... stieg vom Motorrad ab, ging auf den Jungbullen zu und fotografierte ihn. Der hatte Nerven! Ich blieb lieber startbereit auf meiner Hornisse sitzen, innerlich ein wenig auf glühenden Kohlen sitzend. "Können wir so langsam mal weiterfahren?" Ich traute dem Frieden nicht so recht.

Friedlicher ging die nächste gehörnte Begegnung von statten. Wir hielten nochmals für eine Trinkpause, wieder am Rande einer Kuhweide - jaja, von diesen Viechern gab es hier eine ganze Menge. Hier befanden sich vier weiße Grazien, mit denen Michael (pardon: seine Kamera) ein wenig flirtete. Heraus kamen richtig schöne Portraitfotos. :-)

Dann wechselte die Landschaft und wir befanden uns plötzlich inmitten von Weinbergen wieder. Mh, das roch man auch gleich - zumindest ich als gebürtiges Moselkind erkannte diesen Duft von Rebstöcken sofort (es ist schon schade, welche Gerüche den Autofahrern entgehen). Hoppla, plötzlich war "Chardonnay" ausgeschildert! Ich wusste bis dato gar nicht, dass dies auch ein Ort ist. Mir war nur die Rebsorte bekannt.

Und so war ein Mini-Fotostopp natürlich Pflicht. Da ich die Lenkerkamera montiert hatte, musste ich auch nicht lange im Tankrucksack wühlen. Jawohl, meine Aufnahmezeiten hatten sich zwischenzeitlich denen von Michael und Rainer angepasst.

Nach dem idyllischen Weinanbaugebiet folgt leider eine ziemlich öde Etappe - von Tournus nach Louhans zog sich die Nationale zäh wie Kaugummi und fast schnurgeradeaus. Sicher, wir wollten Kilometer machen, aber "schön" war definitiv anders.

     

Gleiches galt für das Stück Autobahn, das zwischen Louhans - Lons-le-Saunier - Poligny folgte. Ich empfand dies als sehr anstrengend, hatte einen gefühlten Gegenwind von 500km/h (und trotzdem, ein Naked Bike ist ein Naked Bike und bleibt ein Naked Bike!). Entsprechend angespannt war meine Stimmung, als wir in Poligny eine weitere Kaffeepause einlegten.

Puuh, und wir waren für den Tag noch lange nicht am Ziel. So langsam merkte ich, dass die Tour nicht nur ein Zuckerschlecken war, zumal die Temperaturen richtig sommerlich wurden. Wir beschlossen, weiterhin auf Hauptstraßen zu bleiben, um so weit wie möglich ins Jura zu gelangen.

Das machte mir zwar bei zunehmendem Feierabendverkehr nicht sonderlich viel Spaß - ich bin kein Freund von Kolonne hüpfen - aber die Alternative wären Mehrkilometer am Folgetag, dem endgültigen Heimreisetag gewesen (und das würden eh noch genug sein).

Hinter Pontarlier begannen wir nach Hotels Ausschau zu halten, aber die Lage des ersten Hotels, an dem Michael hielt, gefiel mir nicht wirklich. Es befand sich direkt an der Hauptstraße, nicht einmal wirklich in einer Ortschaft. Ich musste an Massiac denken. Dummerweise waren wir eine Viertelstunde vor Öffnungszeit dort, die Tür war noch verschlossen. So ein Pech aber auch. ;-)

Wenige Kilometer weiter wurden wir in Montbenoît fündig und glücklicherweise hatte man im Hotel "Le Sire de Joux" noch drei Einzelzimmer frei. Das heißt, fast hätten wir nur zwei Zimmer benötigt, nachdem Michael direkt vor dem Hotel bei einem (zugegeben unachtsamen) Wendemanöver auf der Straße fast den Kühler einer daherrauschenden Autofahrerin geziert hätte.

Knapp, aber so was von knapp vor ihm kam sie zum Stehen. Mein Herz war in die Hose gerutscht, das war zu viel für diesen Tag. Himmel, wir haben diese Reise zu dritt gestartet, lass sie uns auch zu dritt beenden!

Eine kleine Verschnaufpause für alle, ich gönnte mir nach der Dusche als Apéritif einen Panaché in der Abendsonne (die leider viel zu schnell weg war) und hielt die Notizen des Tages fest. Das zum Hotel gehörende Restaurant rundete mit seiner Karte - ich sag nur: Menu Terroir! - den Tag ab. Lecker war´s!

Michael verzog sich irgendwann, während Rainer bei einem Pichet Roten noch ziemliches Sitzfleisch zeigte. Das hatte ich nach der Tagesetappe nicht mehr so wirklich. Irgendwann war Endegelände und *zzZZzz*. An den kommenden Tag und die - zwangsweise - zu absolvierenden Kilometer wollte ich in diesem Moment nicht wirklich denken.