Samstag, 28.04.2012: via Inselstadt Malchow - Vollrathsruhe - Schloss Basedow - Ivenacker Eichen, ca. 220km

Der Morgen beginnt sportlich - zumindest für Iris, die sehr zeitig die Schlaf- gegen Laufkleidung eintauscht und eilenden Schrittes die Landschaft rund um den Schulzensee erkundet. Trainingsplan verpflichtet. Kerstin und ich sind da wesentlich inaktiver. Ganz gemütlich geht es auch beim Frühstück zu. Wir lassen uns Zeit, selbst Kerstins durchgeackerter und an vielen Stellen markierter DuMont-Reiseführer löst keinen Zeitdruck aus.

Gegen 10h30 brechen wir in Richtung Norden auf, "Schloss Blücher" in Göhren-Lebbin, knapp 10km östlich von Malchow, steht als erstes auf dem Zettel. Blücher, Blücher, Blücher ... da war doch mal was im Geschichtsunterricht!? Militär? General? Schlacht? Und da hört die Erinnerung auf. Umso gespannter sind wir, was uns am Schloss erwartet. Umso erstaunter sind wir, dass dort keine direkte Verbindung zu General Blücher zu finden ist.

Schloss Blücher in seiner heutigen Form wurde zwar von der Familie von Blücher, aber auch erst 1914/15 erbaut, da war der olle Gebhard, übrigens ein gegen Napoleon sehr erfolgreicher Generalfeldmarschall, schon fast 100 Jahre lang tot. Zu sehen gibt es ... nicht viel. Oder aber für viel Eintritt, denn seit 2000 wird das Schloss als Luxushotel mit SPA- und Golfbereich geführt.


Nun, es wird nur ein kurzer Stopp in Göhren-Lebbin, bevor es in die - oder besser: auf die - Inselstadt Malchow mit seinem historischen Stadtkern weitergeht. Die Zeit, die wir am Schloss Blücher eingespart haben, verlieren wir kurzum bei der Fahrt über den Erddamm, der zur Altstadt führt. Ein Stadtlauf geht just zu Ende, und wir zuckeln im ersten Gang hinter dem letzen Läufer, dem Besenwagen und einem Rettungswagen her. Als uns links auch noch ein kleiner Junge auf seinem Fahrrrad überholt, fällt uns nix mehr ein.

Wir stellen die Motorräder vor der Drehbrücke ab, die bis 1978 den einzigen Übergang zwischen den Oberseen der Mecklenburger Seenplatte bildete. Stets zur vollen Stunde öffnet sich dieses technische Denkmal, um dem Bootsverkehr Vorfahrt zu gewähren, und just als wir ankommen, beginnt das Schauspiel. Was für ein Timing.

Dabei beobachten wir schmunzelnd den Brückenwärter, der mit einem Gardena-Obstpflückkorb an langer Stange Spenden von den Bootsführern einsammelt. Einfach, aber effektiv. Wir bummeln ein wenig durch die überschaubare historische Altstadt, an Rathaus und Standesamt vorbei und gönnen uns an einem Eiscafé mit schöner Sicht aufs Wasser noch was Leckeres, bevor wir uns auf die Weiterreise machen. Dass die für mich kurz darauf fast zu Ende wäre, ahne ich nicht.


     

Wir bewegen uns weiter gen Norden. Über Nossentiner Hütte, wo mich in einem absolut übersichtlichen, weil mitten in der Pampa liegenden Kreisverkehr ein von rechts kommender Autofahrer nahezu ungebremst fast zu seiner Kühlerfigur auserkiest (jaja, so lautet der Präsens von "auserkoren"), und Vollrathsruhe, wo man von einem Aussichtsturm auf 102m ü.N.N. aus einen wunderschönen Blick in die Mecklenburgische Schweiz hat, geht es bis nach Basedow, dem nächsten Haltepunkt auf Kerstins Kulturroute.

Schloss Basedow, eine der bedeutendsten Schlossanlagen MeckPomms, wirkt wie ein verspieltes Märchenschloss, an dem immer wieder mal hier, mal dort ein Türmchen, ein Giebel, eine Figur angebaut wurde. Lediglich ein vor dem Schloss befindlicher Beach-Volleyball-Platz irritiert ein wenig. In der Tat wurde das Schloss im Renaissance-Stil ab 1552 in mehreren Etappen zu einem mehrgeschossigen Gebäude und zu einer heute unregelmäßssigen Flügelanlage ausgebaut.

Wir schlendern zunächst um das Schloss herum in den vom königlich preussischen Gartenkünstler Peter Joseph Lenné im Stil eines englischen Landschaftsgartens angelegten Schlosspark, und dann zur nahegelegenen Kirche mit einem eine unglaubliche Ruhe ausstrahlenden Friedhof. Der gesamte Dorfkern mit Schloss, Marstall und Kirche steht unter Denkmalschutz und spiegelt ein in sich sehr stimmiges Bild wider.

Genug geträumt - nachdem Iris noch das obligatorische Coolie-was-here-Foto geschossen hat, satteln wir die Motorräder und machen uns über kleine Straßen, die uns durch Carlsruhe führen (die Welt ist doch ein Dorf!), auf den Weg zu den Ivenacker Eichen, wo sich die ältesten Eichen Europas befinden. Manche haben bis zu 1000 Jahre auf dem Buckel, respektive auf der Rinde.

Sie befinden sich in einem Tiergarten, in dem Damwild, Mufflons und andere heimische Wildtiere frei herumlaufen. Ein ungewohnter Anblick, die sonst so scheuen Tiere auf einer nicht eingezäunten Wiese und in nur 10-15 Metern Entfernung seelenruhig grasen zu sehen.

Nicht ganz so ungewohnt, aber sehr beeindruckend wirken die alten Eichen mit ihren mächtigen Stämmen. Zu dieser Jahreszeit ein etwas witziges Bild, denn das noch fehlende grüne Laub lässt die Kolosse ein wenig malproportioniert wirken. Die mächtigste von ihnen hat einen Stammumfang von über 11 Metern (auf Brusthöhe gemessen) und eine Höhe von 35,5 Metern. Die Holzmasse wird auf 180 Festmeter geschätzt - damit könnte man lange den Kamin heizen.

Wir stehen ehrfürchtig davor und denken "1000 Jahre ... was die schon alles erlebt haben!" Einen Kaffee am kleinen, aber schmucken Barockpavillon und in der Sonne schlürfend, lassen wir die Atmosphäre auf uns wirken. Abschalten pur.

     

Doch irgendwann tickt die Uhr lauter - wir haben noch ein gutes Stück Heimweg vor uns, befinden wir uns doch zu fortgeschrittener Uhrzeit gerade mal am vom Hotel am weitesten entfernten Punkt.

Nach einem Stück Bundesstraße gen Süden nehmen wir noch eine wunderschöne Strecke, weil landschaftlich wunderschön und wunderschön kurvig über Varchentin, Möllenhagen, Gross Vielen unter die Räder. Genuss pur, das Grinsen im Gesicht wird breiter und breiter.

Und bleibt auch fest dort sitzen, als wir ab Neustrelitz wieder auf unsere Hausstrecke in Richtung Mirow einbiegen. Nach der ersten, doch sehr kulturell geprägten Tageshälfte folgt jetzt Fahrspass pur.

Zufrieden trudeln wir am Hotel ein, stellen die Motorräder in die bereits geöffnete Scheune, machen uns schnell frisch und sitzen bald darauf hungrig am Tisch. Der Rest des Abends geht in Wiederaufleben der Tageserlebnisse, Klönen und Gelächter unter. Routenplanung für den nächsten Tag?

Jooooaaaah, wir visieren mal grob eine Richtung an, Kerstin wirft noch das ein oder andere aus ihrem DuMont-Reiseführer in den Raum. Ist doch noch ausreichend, wenn wir das Feintuning am nächsten Morgen machen, oder? Wir sind entspannt, aber sowas von!