Sonntag, 29.04.2012: via Holzkastenbrücke Ahremsberg - Schloss Rheinsberg - Ziegeleipark Mildenberg - Himmelpfort, ca. 200km

Am nächsten Morgen werfen Kerstin und ich einen Blick auf die Karte. Iris, die am Vortag die Tour geführt hat, darf pausieren. Kerstin entwirft zunächst eine Route, die ihr Navi mit schlappen 400km angibt. *hüstel* So splitten wir sie und heben uns noch ein paar Ziele für den Folgetag auf.

Nach einem ausgiebigen, gemütlichen Frühstück geht es erst einmal zur nächsten Tankstelle, wo wir auf drei Jungs mit ihren KTM-Enduros treffen. Die (Jungs) sind zwar deutlich aus dem Kindesalter heraus, doch ihre Erzählungen über die vielen Offroad-Möglichkeiten in MeckPomm, ihr Grinsen und ein Blick auf die Mopeds bezeugen: ein Spielplatz für Große mit passendem Spielzeug.

Die Route führt zunächst auf der Bundesstraße über Wesenberg bis Wustrow, wo wir auf kleinste Straßen wechseln. Wir fühlen uns mit der Natur fast allein. Felder, Wiesen, Wald, Single Track Roads - Landschaft, so weit das Auge reicht. Nur: wo geht´s zur Holzkastenbrücke in oder um und bei Ahremsberg? Hier fehlt jegliches Hinweisschild, doch dank freundlicher und auskunftsfreudiger Einwohner stehen wir bald an dem Bauwerk, das uns prompt an den Film "Die Brücken am Fluss" erinnert.

Die Brücke, auch "Hausbrücke" genannt, ist die älteste noch erhaltene ihrer Art in Norddeutschland. Die schönste Ansicht bietet sich vermutlich vom Wasser aus - sie überspannt die Havel zwischen Finow- und Drewensee - aber die bleibt uns Landratten verwehrt.

Wir haben von Romantik noch nicht genug - durch viel Wald und über zahlreiche Seen, Kanäle und Schleusen geht es weiter gen Süden. Durch Zechlinerhütte durch, wo wir das Alfred-Wegener-Museum ignorieren, bis weiter nach Rheinsberg am Grienericksee, wo uns ein Musterbeispiel des sogenannten Friederizianischen Rokokos und Vorbild für Schloss Sanssouci erwartet: Schloss Rheinsberg.

Wir parken unsere Motorräder vor dem Schloss - wie uns die Parkordnung lehrt, dürfen Motorräder im Schlosspark nämlich nicht mitgeführt werden - und schlendern durch den großzügig angelegten Schlosspark. Fast fühlen wir uns in unseren Motorradklamotten ein wenig deplaziert, die Umgebung ruft eher pompöse Kleider vor dem inneren Auge hervor.

Friedrich der Große verbrachte hier in der ersten Hälfte des 18. Jh. nach eigenen Worten "die glücklichsten Jahre seines Lebens". Mit der Thronbesteigung 1740 endete seine Zeit dort, wenige Jahre später schenkte er Schloss Rheinsberg seinem jüngeren Bruder Heinrich, der es nach den ursprünglichen Plänen vervollständigen und den dazugehörigen Park erweitern und verschönern ließ.

Im Anschluss an den Parkbummel gönnen wir uns und unseren müden Füßen eine kleine rustikale Stärkung, bevor der nächste Stopp, der mit Rokoko nun gar nix mehr zu tun hat, anvisiert wird.


     

Kleine Straßen führen uns über Menz, Grosswoltersdorf, Neulüdersdorf und Gransee bis nach Mildenberg bei Zehdenick. Hier befand sich einst eines der größten Ziegeleigebiete Europas, verteilt auf mehrere Ziegeleien mit insgesamt 57 Ringöfen in einer riesigen Tonstichseenlandschaft.

Insbesondere Berlin verschaffte, begünstigt durch die über den Wasserweg günstige Transportmöglichkeit der Branche nach dem Ersten und auch Zweiten Weltkrieg einen enormen Boom.

Heute steht auf dem Gelände zweier Ziegeleien der Ziegeleipark, ein Industriemusuem von einer unglaublichen Größe, das zu Fuß und mit Feldbahnen erkundet werden kann.

Für eine komplette Besichtigung sollte man sich einen Tag Zeit nehmen - die haben wir aber nicht und begnügen uns mit dem bereits nicht kleinen, kostenfrei zugänglichen Bereich des Museums. Zwei Ringöfen, ein Informationszentrum sowie zahlreiche Informationstafeln vermitteln uns auch so einen guten Eindruck über die Größe und Bedeutung der Anlage.


Nach soviel Industrie suchen wir ein himmlisches Vergnügen auf: eine Schreibstube des Weihnachtsmanns! Na, ob wir ihn persönlich auch antreffen? Parallel zur B96 geht es über kleine Straßen gen Norden, wir kreuzen bei Bredereiche die Havel und gelangen bald darauf nach Himmelpfort am Stolpsee.

Die Schreibstube Nr. 2 des Weihnachtsmanns hat leider geschlossen, wir beobachten einen kleinen Jungen, der seine Wünsche sorgfältig in den hauseigenen Briefkasten einwirft. Ob sie in Erfüllung gehen?

Hinter der Schreibstube befinden sich die Überreste des Zisterzienserklosters Himmelpfort, 1299 errichtet und 1541 aufgelöst. Nach Plünderungen im 30-jährigen Krieg kam es zum Verfall des Klosters, die östliche Teilruine wurde allerdings als Dorfkirche wieder hergerichtet und dient auch heute noch als evangelisches Gotteshaus.

Die Atmosphäre mitten der Ruine ist ein wenig mystisch, wir lassen Beine und Seele baumeln und es dauert eine Weile, bis wir beim Blick auf die Uhr feststellen, dass wir so langsam mal den Rückweg antreten sollten, falls wir noch ein Abendessen haben wollen.

     

Kerstin schaltet ihr Navi auf ich-weiß-nicht-welche Routen. Diese führen uns erst einmal in die zum Hotel entgegengesetzte Richtung und ich zweifel schon wieder am Orientierungssinn (an wessen auch immer), bis wir uns plötzlich kurz vor Neustrelitz befinden. Ah, geht doch. Und von hier aus erst recht, denn nun steht über Userin und Roggentin wieder unsere liebgewonnene, kurvenreiche Hausstrecke in Richtung Mirow an.

Zufrieden grinsend erreichen wir das Hotel, machen uns schnell frisch und testen dieses Mal die gegenüberliegende Pizzeria, dessen Speisekarte zwar sehr übersichtlich, das Angebot aber mehr als schmackhaft ist! Zubereitet und serviert von einer Alteingesessenen, die uns im Anschluss an das Essen noch in einen netten Plausch verwickelt. Interkulturelles Lernen pur.

Schnell noch ein Blick auf die Karte, wo uns die Route denn am nächsten Tag hinführen wird. Wir basteln die Sehenswürdigkeiten, die wir noch auf dem Wunschzettel haben, zu einer kleinen Runde zusammen. Diesesmal geht der Tourguide-Kelch an mich und ich bin selbst gespannt, was mein analoges Navi (also: ich) zusammenstellen wird.