Aus eigenem Antrieb - Auf dem Weserradweg unterwegs, Mai 2014

03.05.2014: blau-grün-gelb - von Höxter nach Bodenwerder, OT Himmelspforte, ca. 40km


Als wir uns am nächsten Morgen überwinden, aus dem kuschelig-warmen Schlafsack in die Kälte zu kriechen und nach draußen schauen, sind wir froh, am Vorabend noch den Umzug in die Hütte vollzogen zu haben: die Außentemperatur beträgt 2°C. Brrrrrr.

Zugegeben, in der Hütte ist es nicht wesentlich wärmer, aber draußen strahlt immerhin die Sonne von einem wolkenlosen Himmel. Perfektes Radlerwetter.

Bevor es zum Frühstück geht, bauen wir unsere Zelte ab. Ich komme in ein Gespräch mit einem Mann aus Fulda, der sein Zelt in ein paar Metern Entfernung von unseren Zelten aufgebaut hatte. Auch er ist mit dem Fahrrad unterwegs, allerdings einem etwas älteren Rennrad, und ich frage mich, wie er sein Gepäck transportiert!?

Er hat andere Probleme: Job verloren, von der Lebensgefährtin verlassen - er ist quer durch Deutschland unterwegs und strampelt sich gerade den Kopf frei. So hat jeder sein Päckchen zu tragen, aber man erkennt auch: es geht immer weiter.

Für uns tut es das mit einem ausgiebigen Frühstück in der nun kaum gefüllten Gaststube. So schön hätten wir es also gestern haben können. Gegen 10h15 treten wir in die Pedale, und nachdem wir über die Weserbrücke rüber und wieder am linken Ufer sind, folgt heute für mich der landschaftlich wohl schönste Abschnitt des Weserradwegs.

Lange zieht sich der Weg an der Mauer hinter dem ehemaligen Kloster Corvey (heute: Schloss Corvey), eines des bedeutendsten karolingischen Klöster und Teil des UNESCO-Weltkulturerbes, entlang. Wenig später ist der Blick auf das Krankenhaus Höxter frei, dessen gelber, mehrstöckiger Bau am Hang gut zu erkennen ist. Ich grüße stumm hinüber und muss vor allem an Juri, einen meiner Physiotherapeuten zu Höxter-KH-Zeiten denken, der selbst begeisterter Tourenradfahrer ist. Wenn der wüsste …

Wir genießen alle das tolle Wetter und die schöne Landschaft. Die Farbkombination blau (Himmel), grün (Wiesen) und gelb (blühende Rapsfelder) beruhigt, der strahlende Sonnenschein setzt dem Ganzen die Krone auf. In der Ferne ist der Fernmeldeturm des Köterbergs - mit 500m ü.N.N. die höchste Erhebung des Weserberglands sowie bekannter Bikertreff - zu sehen.

Wir dagegen bleiben mehr oder weniger auf Wasserniveau und erreichen mit Holzminden einen der größeren Orte auf unserer Tour. Und verlieren dort prompt ein wenig die Orientierung. Wohin des Weges!? Die Ausschilderung ist nicht so eindeutig, die Karte zunächst auch nicht.

Der hohe Getreidespeicher am Weserkai dient uns als Anhaltspunkt, und so lassen wir die „Stadt der Düfte und Aromen“ und ihren mittelalterlichen Stadtkern rechts liegen.


                       

Ob das eine gute Idee war? Wenig später befinden wir uns in unmittelbarer Nachbarschaft zur Bundesstraße B83. Einer der ganz wenigen eher unattraktiven Streckenabschnitte. Andererseits - wären wir auf die andere Weserseite gewechselt, hätten wir aufgrund der Flussbiegungen und des Radwegverlaufs sicher ein paar Mehrkilometer zu strampeln.

Nun ja, gefühlt haben wir auch auf unserer linken Seite ein paar Mehrkilometer. Hinter Heinsen zieht sich der Weg quälend lang in einem mittleren Anstieg hin. Ich bin froh, als die Ruine der Höhenburg von Polle ins Blickfeld rückt. Hier ist die wohlverdiente Mittagspause angesagt.

Am Weserufer und im Schatten der Burg nehmen wir auf der sonnigen Außenterrasse eine kleine Mahlzeit ein und gönnen unseren Beinen etwas Erholung. Streckentechnisch haben wir in etwa 2/3 unserer Tagesetappe zurückgelegt.

Eine Stunde später brechen wieder auf … und müssen an der Fähre erst einmal warten, bis das Ausflugsschiff „Karlshafen“ vorüber ist - es schaut viel zu groß aus für die schmale Weser - und der Fährmann am anderen Ufer eine große Motorradgruppe abgefertigt hat. Als diese dann auf unserer Weserseite endlich von der Fähre runter ist, geht’s auch für uns weiter.

Zugegeben: es ist schon ein lustiges Gefühl, wenn man sonst selbst immer mit dem Motorrad unterwegs ist und nun als „langweiliger Fahrradfahrer“ sein Bike durch die Gegend schiebt (oder beachtet ein Motorradfahrer jemals einen Radfahrer?).

Nun wieder am rechten Weserufer unterwegs, reihen sich schöne Landschaften nahtlos aneinander. Zusätzlich zu den bereits im Vormittag wahrgenommenen Farben blau - gelb - grün schleichen sich bis Dölme ab und zu ein paar Felsformationen im leichten Grau ins Blickfeld. Es tut gut hier zu sein!

Das denken wir wenig später auch in Rühle, wo wir eine nett gelegene Pausenbank am Radweg entdecken und belagern. Während wir unsere Beine baumeln lassen, beobachtet Iris mit ihrem Fernglas Bussarde und Störche in der Luft. Alles wirkt einfach so … friedlich.

Endspurt für den heutigen Tag: die letzten 5 km werden zurückgelegt, und gegen 16h15 erreichen wir unser Tagesziel, den Campingplatz Himmelspforte, kurz vor Bodenwerder. Nun ja, so idyllisch, wie der Name klingt, ist es hier nicht gerade.

Die Inhaberin begrüßt uns etwas pampig und die auf der anderen Weserseite längsführende Straße sorgt durch mehr oder weniger regen Verkehr für eine deutliche Geräuschkulissse.

                       

Egal, wir lassen uns die Laune nicht verderben und genießen unser Zisch! und wenig später eine große, leckere Portion Schnitzel mit Pommes. Und zur Belohnung gibt´s ein Eis obendrauf.

Mit dem Verschwinden der Sonne kühlt die Luft merklich ab. Na, hoffentlich gibt das in der Nacht keine Frostbeulen! Die Vorbereitung (Schlafsack, Inlett, Wollsocken, Mütze auf dem Kopf) sind entsprechend umfangreich, und in Ermangelung einer netten Aufenthaltsgelegenheit vor Ort liegen wir tatsächlich schon um 20h45 in unseren Zelten.

Der Tag passiert noch einmal Revue. Ich fühle mich zwar müde, aber zugleich unglaublich zufrieden und innerlich irgendwie total ausgefüllt, und schlafe entsprechend entspannt ein.