Weserbergland in Slow Motion - oder WWLWBLWT (WinterWonderLandWeserBergLandWanderTour)

Karfreitag, 29.03.2013: Aller Anstieg ist schwer - von Porta Westfalica nach Rinteln, ca. 19km


Beim Blick aus dem Fenster bewahrheiten sich die schlimmen Wetter-
vorhersagen: es schneit! Oh neee, das wird im WBL hoffentlich anders sein ... aber ich ahne nichts Gutes, denn für diese Region war ebenfalls Schnee angekündigt. Nun denn, wir werden sehen.

Zunächst einmal muss ich allerdings zusehen, dass ich zeitig am Bahnhof bin, wo Kerstin und ich gemeinsam den Zug nach Soltau zu nehmen wollen, wo wiederum Iris uns mit dem Auto aufgabeln wird, um dann nach Porta Westfalica zu fahren.

Hier, am so genannten Durchbruchstal, wo die Weser das Weserbergland verlässt um in Richtung Norden zu fließen, werden wir das Auto für die nächsten drei Tage stehen lassen.

Der Wecker klingelt zur - für mich - unchristlichen Zeit von 5h30, dennoch komme ich gut aus dem Bett ud wähne mich gut in der Zeit, bis diese mir plötzlich doch davonrennt und ich zur S-Bahn sprinten muss. Puh, mir ist jetzt schon warm!

Am Hauptbahnhof treffe ich Kerstin, die derweil Coffee-to-go organisiert hat. Ich steuere Schokocroissant und Apfel-Zimt-Ring bei - das ist doch ein Start nach Maß! Wir bummeln mit dem Zug durch die Lüneburger Heide und wechseln dann in Soltau mit lautem "Hallo" in Iris' Auto.

Die Fahrt über A7/A352/A2 verläuft reibunglos (Staus befinden sich freundlicherweise stets in der Gegenrichtung), aber dass es hinter Hannover anfängt zu schneien, schmeckt uns so gar nicht. Immer dichter wird der Schneefall, immer winterlicher die Landschaft. Das war so nicht gebucht!

Zunächst holen wir uns im Café Wethmüller in der Altstadt von Rinteln, unserer ersten Unterkunft, den Zimmerschlüssel ab, da die Rezeption des Hauses nur bis 14h00 geöffnet hat. Hübsch schaut es hier aus, viel Fachwerk, sehr gepflegt.

Zu mehr reichen Blick und Zeit nicht, wir werden am Abend zwangsweise mehr sehen, müssen wir doch vom Wanderweg bis zur Unterkunft ganz Rinteln in seiner Nord-Süd-Länge durchqueren.

Wenig später stellen wir das Auto am Bahnhof von Porta Westfalica ab. Es schneit leicht und das auf dem gegenüberliegenden Wittekindsberg stehende Kaiser-Wilhelm-Denkmal, Wahrzeichen von Porta Westfalica, erkennt man nur schemenhaft.

Während Kerstin & Iris noch einen Happen essen, schweift mein Blick auf den Berghang, den so genannten Jakobsberg, wo ein steiler Anstieg zu erkennen ist. Das ist nicht Euer Ernst!? Das geht ja schon gut los!

     

Wir scherzen kurz, ob wir nicht doch lieber mit dem Auto fahren wollen, holen einmal tief Luft und nehmen den ersten Anstieg von vielen in Angriff.

Hier, auf den ersten Metern, bekommen wir gleich einen Eindruck von dem, was uns in den nächsten Tagen immer wieder begegnen wird, wir da aber noch nicht wahrhaben wollen: erschwerte Bedingungen im Schnee, steile, anstrengende Anstiege und ebenso steile wie anstrengende Gefälle und - für meinen Teil - eine körperliche Leistungsfähigkeit, die früher mal deutlich höher war.

Die Tagesetappe wird mit 15km angegeben, allerdings bezieht sich diese Zahl nur auf den eigentlichen Weserberglandweg, der größtenteils über den Kamm des Wesergebirges verläuft. Das Stück vom Wanderweg hinunter nach Rinteln bis zur Unterkunft ist entsprechend zu addieren.

Schnell finden wir "unser" Zeichen, nach dem wir uns in den kommenden Tagen orientieren werden. Das blaue, übereinanderliegende X W auf hellgrünem Grund.

Hier, auf dem ersten Stück des Weserberglandweges, verlaufen noch weitere Wanderwege (Bückeberg Weg X11, Fernwanderweg E11, Sigwardsweg ...), und dennoch begegnen wir unterwegs nur wenigen Menschen. Wen wundert's?

Der Weg führt über Königsberg (225m), Roter Brink (225m), Nammer Klippe (248m) und Nammer Kopf (266m) und quert, für den Wanderer mitten im Wald sichtbar gemacht, den 9° Längengrad.

Am Kreuzplatz, zwischen Nammer Kopf und Wülpker Egge, legen wir eine kleine Rast ein. Die eingeschneiten Tische und Bänke laden nicht wirklich zum Sitzen ein, aber immerhin kann frau sich hier erleichtern, denn - undefinierbarer Baustelle sei Dank - mitten im Wald steht ein Dixiklo. :-)

Weniger Freude kommt beim Blick auf die noch zu laufenden Kilometer auf: wir haben gerade mal ein Drittel der Strecke bewältigt und die Zeit ist aufgrund der Anreise schon entsprechend fortgeschritten. Weiter geht's!

Es folgt ein steiler, mit historischen Grenz- und Jagensteinen gesäumter Anstieg hoch auf die Ebene der Wülpker Egge, mit 278m ü.NN. die höchste Erhebung im Mittelteil des Wesergebirges. Aufgrund des Wetters hält sich die Aussicht allerdings mehr als in Grenzen.

Die Wülpker Egge wird geprägt durch einen Tagebau, in dem Erz sowie Kalkstein gewonnen werden, und der dem Berg im Laufe der Zeit einen großen Kessel verpasst hat. Durch jahrelangen Abbau besteht heute Gefahr von Erosionen, weshalb an verschiedenen Punkten Messstellen angebracht sind, um Erdbewegungen zu kontrollieren.

     

Nachdem wir am südlichen Rand des Tagebaus, mit gutem Blick auf die Abbauflächen, längs gelaufen sind, müssen wir unsere Bewegungen ebenfalls kontrollieren - der Wanderweg wird plötzlich zu einem schmalen Pfad am Hang, dessen Begehbarkeit durch den Schnee nicht gerade vereinfacht wird. Eins kann man sagen: langweilig wird uns nicht!

Zügig führt der Weg an der Roten Klippe vorbei talwärts nach Kleinen-
bremen und zum dortigen Besucherbergwerk, das 1988 in einem stillgelegten Teil der Eisenerzgrube "Wohlverwahrt" eröffnet wurde.

Just kommt eine gelb behelmte Gruppe aus dem Museumsgebäude heraus und positioniert sich vor der Museumsbahn, einem Dieseltriebwagen, der ins Bergwerk fährt. Ab in die Grube!

Wir überqueren derweil per pedes die Hauptstraße, und während ich den Blick auf eine Infotafel richte, schlägt Kerstin einen schmalen Weg zwischen den Grundstücken ein. Wo will sie denn hin? Tatsächlich weiter dem Weserberglandweg folgen.

Wir lassen das Wohngebiet von Kleinenbremen hinter uns. Zur Abwechslung geht es mal wieder bergauf. Lang zieht sich der Weg gerade hoch zum 303m hohen Papenbrink und seiner Sendeanlage.

Schneefall setzt ein, so dass wir auf der Aussichtsplattform zwar die Schautafeln lesen, die angezeigten Landschaftsbilder aber nicht überprüfen können. Wie Sie sehen, sehen Sie nichts. Na toll, ist das ein gerechter Lohn für diese Anstrengung!?

Eine kleine Entschädigung folgt wenig später in Form einer kleinen, nahezu niedlichen steinernen Rasthütte, die nicht nur wegen ihrer lauschigen Nischen mit ihren Sitzgelegenheiten, sondern auch wegen der angebrachten Steinplatten mit Sprüchen und Lebensweisheiten zum Verweilen einlädt.

Wir bummeln einmal um sie herum und halten das ein oder andere fotografisch fest. Witzigerweise knipsen wir alle unterschiedliche Sprüche, wie ich später beim Sichten der Fotos feststelle!

Wir haben immer noch ca. 6km Strecke vor uns, wandern an einem Gedenkstein vorbei, den ich den "Bonette des Wesergebirges" taufe, ähnelt er doch dem großen Stein auf dem Pass in den französischen Alpen.

Dann passieren wir die Landesgrenze, die mitten im Wald mit einem weiß-roten Schild markiert wird. Wir verlassen Nordrhein-Westfalen und befinden uns in Niedersachsen.

     

Hier geht zunächst etwas Idylle verloren, als wir uns der stark befahrenen, lauten Autobahn A2 nähern und diese überqueren. Nach all den stillen Stunden im Wald wirkt der Autolärm regelrecht fremd und störend.

Endspurt - für den heutigen Tag nehmen wir die letzten Kilometer auf dem Weserbergkamm in Angriff. Die Besichtigung der Reste der ehemaligen Wallanlage Frankenburg schenken wir uns allerdings und stehen bald am Kreuzungspunkt Todenmann.

Ab hier geht's für uns abwärts ins Tal nach Rinteln. Die Aussicht ist ziemlich trübe, der ca. 2,5km lange Weg bis in die Altstadt zieht sich zäh wie Kaugummi, die Beine sind schwer, wir möchten nur noch ankommen.

So haben wir kaum einen Blick für die Weser und die eigentlich schmucke, mit viel Fachwerk bestückte Altstadt von Rinteln übrig, in der unsere Unterkunft, das Café Wethmüller, liegt.

Umso positiver fällt die Ankunft gegen 17h45 dort aus: das Zimmer ist groß und vor allem muckelig warm. Hier hat jemand mitgedacht. :-)

Nacheinander schleusen wir durch die Dusche, entspannen ein wenig auf den Betten liegend und kopfschüttelnd den Tag Revue passierend - wie verrückt sind wir eigentlich?

Wenig später brechen wir zum Abendessen ins Restaurant Der Stadtkater im ehemaligen Rathaus, einem historischen Gebäude am Marktplatz,auf.

"Gutbürgerliche Küche mit einem feinen Touch" - so würde ich den Inhalt der Speisekarte bezeichnen. Auf jeden Fall oberlecker!

Wir genießen den Abend nach diesen doch anstrengenden Kilometern zu Fuß.

Die Gedanken an den nächsten Tag, der gleich mit dem wenig attraktiven Weg durch die Stadt zurück und hoch auf den Weserbergkamm beginnen wird, verdrängen wir derweil.