Weserbergland in Slow Motion - oder WWLWBLWT (WinterWonderLandWeserBergLandWanderTour)

Samstag, 30.03.2013: Von wegen, Ehrenrunden werden erst zum Schluss gedreht - von Rinteln nach Rohdental, ca. 20km


Gähn. Der Wecker klingelt um 7h15. Wir möchten um 8h00 am Frühstückstisch sitzen, um um 9h00 die nächste Tagesetappe per pedes anzugehen. So wirklich erholt fühlen sich meine Beine nicht an. 17km stehen heute auf dem Programm und die Wetterbedingungen haben sich leider nicht verbessert.

Mein Blick aus dem Fenster fällt auf den Kirchturm der St.-Nikolai-Kirche, den im Aufbau befindlichen Markt und ... Schneeflocken!

Schnell schließe ich den Vorhang wieder, das möchte ich jetzt noch nicht sehen! Das Frühstück ist lecker, die Atmosphäre entspannt, und schwupps - zeigt die Uhr dann doch 9h20 an, als wir aufbrechen.

Schnell werden noch ein paar Fotos von der Fachwerk-Altstadt in Rinteln geschossen, deren Charme im trüben Wetter leider etwas verloren geht.

Bei Lidl decken wir uns mit etwas Proviant für den Tag ein und ziehen dann - im Frühtau zu Berge - gen Weserbergkamm. Puh, die Beine sind schwer, der zweite Tag beginnt wie der erste: empfunden anstrengend!

Wir erreichen den Weserbergkamm und schlagen den Weg gen Osten, dem bekannten Zeichen des Weserberglandwegs folgend, ein. Eigentlich wirkt alles in Ordnung, der Weg ist breit und ziemlich eben, auch durch den Schnee lässt es sich gut stapfen.

Mich irritiert dann irgendwann doch, dass keine Zeichen mehr an den Bäumen auftauchen. Denke mir aber, dass man offensichtlich glaubt, dass der Weg dermaßen gut ausgebaut ist, dass Hinweis auf den Wanderweg nicht nötig sind.

Wenig später wird die Irritation allerdings größer. Eine dicht befahrene Straße ist rechts von uns zu hören. Dem Lärm nach zu urteilen sogar eine sehr dicht befahrene Straße.

Ein Blick auf die Karte: südlich vom Wanderweg verläuft eine Bundesstraße, die muss es wohl sein. Dennoch: der Lärm klingt eher nach Autobahn. Autobahn? Kann nicht sein! Die müsste quasi links und dann noch hinter der Bergkuppe liegen. Kann nicht sein!

Wir wandern weiter, bis eine Holzhütte an einem Kreuzungspunkt in Sicht kommt. Der Anblick kommt mir irgendwie bekannt vor. Kerstin liest von einem Schild ab: "Das ist der Vorbergsplatz."

Wie? Das wäre unser Ausgangspunkt von heute Morgen! Kann nicht sein!

Und tatsächlich, wir sind gerade eine Ehrenrunde von schlappen 3km gelaufen! Und das, wo die reine Tagesetappe schon ca. 17km lang ist. Seufz.

     

Wir machen in der Hütte eine kleine Rast, sinnieren grummelnd darüber, wie es dazu kommen konnte und erinnern uns: an einer Stelle kreuzte ein schmaler Pfad den breiten Weg, auf dem wir uns befanden.

Links führte er steil den Berg zu den Luhdener Klippen hinauf, rechts eher ungemütlich-holprig den Berg hinunter. Tatsächlich war hier ein Weserberglandweg-Zeichen angebracht, aber wir waren uns in diesem Moment ziemlich sicher, dass die Strecke nicht bergab führen konnte (und bergauf erst recht nicht, weil wir nicht bergauf wollten).

Nun denn, neues Spiel, neues Glück, und so treten wir zunächst wieder in unsere eigenen Fussstapfen, bis wir jenen kleinen Kreuzungspunkt erneut erreichen und seufzend den bei diesen Verhältnissen rutschigen Abstieg in Angriff nehmen.

Der Weg führt unterhalb der 250m hohen Hirschkuppe vorbei nach Steinbergen, einer der wenigen Ortschaften, die wir auf der gesamten Tour durchwandern.

Ich starte scherzhaft an einer Notrufsäule ein paar Hilferufe, werde aber nicht erhört, sondern von meinen Mitwanderinnen zum Weitergehen überredet.

Leider, denn wenn ein Tal durchwandert wird, geht es nach bergab immer wieder bergauf, und so zieht sich der Weg zunächst auf anstrengende Weise hoch in Richtung des 270m hohen Messingberges.

Doch wenig später verläuft er dann freundlicherweise am Waldesrand entlang, so dass wir von der schneefreien Strecke aus ausnahmsweise mal dauerhaft einen weiten Blick ins Tal der Weser genießen können.

Oberhalb von Westendorf lädt eine Bank in der Sonne zur Rast ein, gleich an einer schönen kurvigen Straße gelegen, die mit dem Motorrad sicher auch nett zu befahren wäre. Ich seufze. Wunschdenken.

Immerhin: erste Frühlingsboten zeigen sich in Form von Schneeglöckchen und das Wetter zeigt sich mal ausnahmslos freundlich.

In ca. 4km Luftlinie ist sogar die Schaumburg zu erkennen, die noch auf unserer Route liegen soll. Aber man soll den Tag, respektive das Wetter nicht vor dem Abend loben.

Als wir weiter wandern, sehen wir in der Ferne schon die nächste Schneeschauer auf uns zukommen, die uns dann, nachdem wir den schweißtreibenden Anstieg zu den unter Naturschutz stehenden Springsteinen geschafft haben, auch einholt.

     

Diese Felsklippen bestehen aus so genanntem Korallenoolith, einem sehr harten Kalkstein, der sich aus Korallen und Muschelschalen in einem urzeitlichen Meer gebildet hat. Im Laufe der Zeit wurden die Schichten schräg nach oben gedrückt, Regen und Wind spülten die weichen Schichten an der Abbruchkante weg, zurück blieben die heute sichtbaren Felsklippen.

Vom Tal nach oben geschaut vermittelten die Klippen früher, als der Wald noch lichter war den Eindruck, dass sie am Hang regelrecht hervor-
springen würden. Daher der Name.

Der Blick auf die Karte offenbart uns verschiedene Routenmöglichkeiten, die die Strecke ein wenig verkürzen würden, doch nach den Erfahrungen vom Vormittag halten wir uns lieber an den ausgeschilderten Weg.

Der führt steil an der Rasthütte "Füßleins Ruh" vorbei über den 325m hohen Oberberg und den 326m hohen Möncheberg hinauf zur Paschenburg, ein ehemaliges Forst- und Gasthaus im Stil eines kleinen Jagdschlosses. Hier erreichen wir den höchsten Berg des westlichen Wesergebirges oberhalb des Wesertals.

Das geöffnete Café-Restaurant ist eine willkommene Gelegenheit für eine Pause inklusive Stärkung. Bei schönem Wetter bietet die Panoramaterrasse sicherlich eine tolle Aussicht über die direkt unter der Paschenburg liegende, im 13. Jh. erbaute Schaumburg, und das Wesertal. Wir sehen allerdings erst einmal ... nichts. Nur graue Leere.

Stattdessen widmen wir uns den großzügig bemessenen Kuchenstücken auf dem Teller und fragen uns, um wie viel Uhr wir wohl in unserer Unterkunft des Tages, in der Weinschänke Rohdental eintreffen werden.

Bis dahin sind es sicherlich noch 6km. Ein Anruf dort beruhigt uns allerdings: man warte auf uns und auch um ein Abendessen müssten wir uns keine Sorgen machen. Wären wir bloß schon da. Seufz.

Immerhin, es bestehen Versuche, uns auf den letzten Kilometern ein wenig abzulenken: an diversen Rasthütten und Tafeln im Wald sind Lied- und Notentexte aus der "Kleinen Mundorgel" angeschlagen.

Kerstin und ich stimmen mehrmals lauthals ein Lied an. Vermutlich nicht schön, aber laut. Irgendwann ist einem alles egal.

     

Nicht egal sind meinem Bein die vielen steilen Treppenstufen, die auf dem Weg hinunter nach Rohdental noch zu bewältigen sind.

Teils schneebedeckt und abschüssig sind die Steinplatten alles andere als einfach zu begehen, zumal mein rechtes Knie mehr und mehr den Dienst verweigert und ich gefühlt körperbehindert meinen Mitwanderinnen hinterher humpele. Das Abendessen verdienen wir uns hier mehr als dreifach!

Endspurt: die letzten Meter legen wir auf der Straße zurück, als das Ortsschild "Rohden, Ortsteil Rohdental" auftaucht - und ebenso die hell erleuchtete Weinschänke Rohdental.

Ich frage mich kurz, weshalb der große Parkplatz mit Autos überfüllt ist und fürchte einen Moment lang um unsere Zimmerreservierung. Als Kerstin gegen 18h20 die Eingangstür öffnet, schlägt uns laute Self-made-Entertainment-Musik entgegen. Oh weh, hier ist eine Familienfeier in Gang.

"Ach, Frau Klein und ihre Wandertruppe" - so werden wir herzlich begrüßt. Eine Mitarbeiterin bringt uns zu unserem Zimmer: 2. Stock ohne Aufzug. Will die Anstrengung für diesen Tag denn kein Ende nehmen? Aber welch angenehme Überraschung: im Zimmer ist von der musikreichen Familienfeier nichts zu hören.

Die heiße Dusche ist herrlich - sieht man einmal von der engen Schiebetür und der hochliegenden Duschwanne ab, in die man erst rein- und später wieder rauskraxeln muss. Das ist nun aber wirklich die letzte Anstrengung für diesen Tag!

Um 19h30 sitzen wir groggy, aber gut gelaunt im hauseigenen Restaurant und studieren die Speisekarte. Hmmm, das Restaurant arbeitet mit lokalen Fleischereien und Forellenzüchtern, sowie je nach Saison auch mit den örtlichen Jägern, zusammen, die Karte liest sich entsprechend appetitanregend.

Iris und ich entscheiden uns für Forelle, Kerstin für Wild ... und keine von uns bereut ihre Wahl. Das Essen tut nach diesem anstrengenden Tag nicht nur gut, sondern ist wirklich lecker.

Dazu ist die Bedienung unglaublich nett und wie schon am Vortag sind wir der Meinung, dass wir mal wieder ein glückliches Händchen bei der Wahl der Unterkunft hatten.

Wir lassen den Tag Revue passieren, besprechen den nächsten Tag und sind fest davon überzeugt, dass er vom Wetter und von der Anstrengung her nicht schlimmer werden kann ...