25.06.2011: Ahoi, wir stechen in See! Von Hesse bis kurz hinter Lutzelbourg

Einweisung Heute geht´s los. 1 Woche mit 5 Erwachsenen, 2 Kindern und 1 Hund auf engem Raum (wie eng, können wir uns noch nicht richtig vorstellen), viel Gepäck, noch mehr Lebensmitteln und jeder Menge gute Laune auf dem Canal de la Marne au Rhin (Rhein-Marne-Kanal). Erstes Etappenziel ist Hesse in den Nordvogesen, ca. 30km westlich von Saverne gelegen.

Wir starten um 8h30 in Trier mit zwei PKW und sind bereits um 11h00 in Hesse an der Basisstation des Hausboot-Verleihs von LeBoat, wo wir nach Erledigung des Papierkrams schon früh unser Boot in Augenschein und Beschlag nehmen können.

Laurent, der Leiter der Basis, macht eine kurze Einweisung, und dann stechen mein Schwager, mein Neffe und ich mit ihm zu einer kurzen Proberunde im Hafenbecken auf. Na, das läuft doch prima!

Wieder zurück im Sportboothafen laden wir unzählige Gepäckstücke und Verpflegung für eine ganze Kompanie ins Boot (meine Mutter hatte offensichtlich Angst, dass wir Hunger leiden würden). Die Frage, wer wo schläft und wo wir alles unterbringen werden, lösen wir erst später nach und nach. Es herrscht eine unterschwellige Anspannung und eine leichte Hektik angesichts des ganzen Unbekannten.

Ahoi, wir stechen in See Egal, voller Elan stechen wir in See und zur Besänftigung der Gemüter köpfen wir erst einmal eine Flasche Sekt. Aber aufgepasst: in Frankreich zählt die 0,5-Promille-Grenze - auch auf Gewässern!

Mein Schwager, oben am Freiluft-Fahrerstand sitzend, lenkt das Boot zunächst gen Westen in Richtung Nancy, als meine Schwester plötzlich von unten schreit "Stoooop, wo fährst Du denn hin? Wir hatten doch Strasbourg gesagt!?" Na, das geht ja gut los. Gottseidank gibt es auf dem Kanal nur zwei Richtungen, zwischen denen man sich entscheiden muss. Also üben wir gleich einmal ein Wendemanöver und "rasen" mit unglaublichen 12km/h Maximalgeschwindigkeit in Richtung Strasbourg.

Aus dem Bordbuch mit Kartenmaterial entnehmen wir, dass wir erst einmal keine Schleusen, dafür aber 2 Tunnel mit 475m bzw. stattlichen 2.306m Länge sowie ein Schiffshebewerk zu bewerkstelligen haben. Wir sind gespannt!

Man glaubt es nicht, aber das Schwierigste ist tatsächlich, das große Boot auf Geradeaus-Kurs zu halten! Es reagiert dermaßen träge auf das Steuer, dass Richtungswechsel erst deutlich nach dem Drehen des Steuerrades eintreten. Die ersten Kilometer geht es in einem Zickzackkurs voran, bei dem man fast schon seekrank wird! ;-) Wir genießen dennoch die Landschaft, die an uns vorbeizieht, und die ungewohnte, aber sehr reizvolle Perspektive vom Wasser her.

Tunnel von Niderwiller und Arzwiller  Tunnel von Niderwiller und Arzwiller  Tunnel von Niderwiller und Arzwiller  Tunnel von Niderwiller und Arzwiller

Tunnel von Niderwiller und Arzwiller Das erste Highlight naht nach ca. 4km: erst der mit 475m noch recht kurze Tunnel von Niderwiller, sozusagen zum Einfahren auf den kurz darauffolgenden Tunnel von Arzwiller, mit 2.306m schon deutlich länger. Da die Fahrrinne beider Tunnel nur ca. 5-6m schmal, unser Boot dagegen immerhin 3,96m breit ist, heißt es den Kurs geradeaus halten! Das ist gar nicht so einfach! Der einspurige Verkehr wird per Ampelschaltung geregelt. Eine spannende Sache, die durch die eher spärliche Beleuchtung in den Tunnel noch verstärkt wird.

Hausboot-Urlaub mag wohl langsam, aber bestimmt nicht langweilig sein!

Schiffshebewerk von Saint-Louis Arzwiller  Schiffshebewerk von Saint-Louis Arzwiller  Schiffshebewerk von Saint-Louis Arzwiller  Schiffshebewerk von Saint-Louis Arzwiller

Schiffshebewerk von Saint-Louis Arzwiller Knapp 2km nach dem langen Tunnel erreichen wir das Schiffshebewerk von Saint-Louis Arzwiller, mit dem in kürzester Zeit ein Höhenunterschied von 45 Metern überwunden wird - sozusagen in Schräglage. Das Schiffshebewerk ersetzt eine alte Schleusentreppe von 17 Schleusen. Was früher einen ganzen Tag in Anspruch nahm, geht heute in 45 Minuten über die Bühne.

Vor uns befinden sich einige Ausflugsboote (die übrigens immer Vorrang vor den Freizeitbooten haben, wie wir auf der Rücktour leicht Augen verdrehend feststellen werden), so dass wir erst einmal unser Boot am Ufer festmachen und in aller Ruhe einen Schleusengang beobachten können.

Die Boote fahren in eine Art Trog - drei Hausboote passen hinein - der sich dann dank einer ausgefeilten Technik und Gegengewichten schräg zum Hang auf das 45 Meter tieferliegende Wasserniveau bewegt. Unten angekommen, hebt sich die Schleusen-/Trogwand, und man kann in aller Ruhe weiterfahren. Wir sind innerlich nicht ganz so ruhig, schließlich schaut es schon beeindruckend aus, wie sich der gesamte Trog abwärts bewegt. Aber wir schippern ohne groß anzuecken in den Trog, der diensthabende Schleusenwärter erlaubt sich ein paar Scherze über unsere noch ungenauen Wurfversuche, mit den Tauen die Poller zu treffen um das Boot während des Schleusengangs zu sichern. Der hat gut lachen. Vor dem nächsten Hausbooturlaub werde ich einen Lasso-Wurf-Kurs absolvieren!

Lutzelbourg Unten angekommen geht´s weiter in Richtung Lutzelbourg, ein schmuckes Örtchen mit der darüber thronenden Burgruine. Hier meistern wir bravourös - ok, ok, vielleicht noch mit etwas ungelenken Handgriffen - unsere erste richtige Schleuse. Ein spannender Augenblick! Glücklicherweise haben wir ein Boot vor uns und können ein wenig abgucken, was wie zu tun ist. Wir steuern mit etwas überhöhter Geschwindigkeit am Sportboothafen vorbei, als uns ein Mitarbeiter eines dortigen Hausboot-Verleihs, der gerade auf einem Boot eine Einweisung erteilt, nahezu anbrüllt und uns per heftigen Handzeichen zu verstehen gibt, dass wir dort gefälligst langsam zu fahren haben. Uuuuups, schnell mal das Tempo gedrosselt! Umso besser, denn Lutzelbourg ist echt hübsch anzuschauen und die Durchfahrt auf dem Wasserweg durch den Ort hat was!

Nachdem die erste Schleuse so gut geklappt hat, freuen wir uns auf die zweite. Die scheint aber irgendwie nicht so wirklich zu funktionieren. Eigentlich sollte eine Lichtschranke die herannahenden Boote erfassen - auf dem Rhein-Marne-Kanal werden alle Schleusen automatisch gesteuert - aber es rührt sich nix. Also machen wir erst einmal fest. Mein Schwager geht auf Fehlersuche und liegt schließlich bäuchlings auf dem Radweg am unteren Schleusentor und fuchtelt mit der Hand vor der dortigen Lichtschranke. Aaaah, es bewegt sich was. Geht doch! Dumm nur, dass die Leute vom anderen Boot zwischenzeitlich einen Schleusenwärter gerufen haben - an jedem Schleusenhäuschen befindet sich eine Art Telefon, mit dem man mit der Schleusenzentrale verbunden wird - und der gerade angelaufen kommt. So gibt´s innerhalb kurzer Zeit den zweiten Anschiss, denn solch manuelles Auslösen der Lichtschranke ist gefälligst zu unterlassen!

Schleuse vor Lutzelbourg  Burgruine Lutzelbourg  Automatische Schleuse?  Selbst ist der Mann

Lutzelbourg Sei´s drum. Der Schleusengang wird absolviert, wir meistern noch vier oder fünf weitere Schleusen, bis kurz vor 19h00 Schluss ist. Dann stellen die Schleusen bis zum nächsten Morgen um 7h00 den Betrieb ein. Da kein Sportboothafen weit und breit in Sicht ist, machen wir am ruhigen Ufer fest, stellen Campingstühle und mitgebrachten Grill an Land und läuten einen geruhsamen Abend ein.

Mein Vater ist froh, ein paar Meter auf festem Boden laufen zu können und kommt gleich mit einer Schweizer Familie ins Gespräch, die ebenfalls zwischen den Schleusen hängen geblieben ist und unweit von uns festgemacht hat. Wir sind ihnen schon aufgefallen - sie waren nämlich diejenigen, die eine Bootseinweisung bekamen, als wir mit zu viel Schmackes durch den Lutzelbourger Bootshafen gefahren sind!

Nach lecker Essen in einer wunderschönen Abendatmosphäre steht irgendwann die Nachtruhe an. Im wahrsten Sinne des Wortes, denn nur wenige Geräusche außer Vogelgezwitscher sind zu hören. Herrlich, endlich Urlaub, auch wenn wir uns fragen, wie gut wir wohl in der ersten Nacht in ungewohnter Enge schlafen werden.

Wir haben heute 2 Tunnel, 1 Schiffshebewerk und 6 Schleusen und jede Menge Aufregung gemeistert.



Der 25.06.2011 in Bildern

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